Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)
Blick klebte an den Spielerinnen, ließ sich keine ihrer Bewegungen entgehen.
Natalja lächelte, als sie Guys erstaunten Blick sah. »Es gibt viele Vorlieben, Schwächen. Fetische.« Sie berührte seinen Arm und zog ihn mit sich in einen spärlich beleuchteten Gang. Tiefviolette Tapeten, von irgendwoher drang gedämpfte Musik. Wieder ein Türsteher, der Flügeltüren für sie öffnete. Hinter ihnen lag ein runder Raum, ganz in Purpur gehalten. Frauen und einige junge Männer saßen oder lagen auf den im Raum verteilten Sofas und Sesseln.
Natalja machte eine einladende Geste. »Fühlen Sie sich als mein Gast, Kommissär. Der Salon bietet für jeden Geschmack das Passende, wie Sie sehen können.« Sie winkte eine junge schlanke Rothaarige heran, Sommersprossen auf der Nase, das Haar zu einem filigranen Gebilde aufgetürmt, aus dem sich einige Strähnen gelöst hatten, die ihr keck ins Gesicht fielen. Natalja folgte Guys Blick, der über die üppigen Kurven einer Brünetten strich. »Ah, Sie haben einen anderen Geschmack, Kommissär. Ophelia!«
»Nein!« Er berührte Nataljas Arm und schüttelte den Kopf. »Das ist ausgesprochen freundlich und verlockend, aber ich würde zuerst gerne etwas trinken.«
»Natürlich, wie Sie wünschen.« Abermals durchschritten sie dunkle Gänge, Räume, in denen getanzt und gespielt wurde. Der Salon war ein weitläufiges Haus aus einer schier unendlichen Zahl von Gängen, Türen und Zimmern, eins prachtvoller als das andere. Und immer wieder erkannte Guy Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Ämtern und Politik und selbst hohe Beamte des KKA, die den Kopf wandten und unbeteiligt taten, sobald sie ihn sahen.
Endlich erreichten sie einen weitläufigen Raum, in hellem Gelb und Orange gehalten, mit kleinen Tischen und Nischen, in denen Männer oder Paare tranken und lachten. Guy wählte einen Platz an der Theke aus, strich mit der Hand über das blankpolierte dunkle Holz des Tresens und sah sich selbst in dem großen Spiegel an, der dahinter angebracht war, und ihm Einblick in nahezu jeden Winkel bot.
Natalja winkte den Schankkellner heran. »Herr Lacroix ist mein persönlicher Gast, erfüll ihm jeden Wunsch, Jakob. Jeden. Er soll sich wohlfühlen bei seinem ersten Besuch.« Sie legte Guy die Hand auf die Schulter. »Und bei jedem weiteren. Leider muss ich mich jetzt von Ihnen verabschieden.«
Guy hauchte einen Kuss auf ihre Hand. »Vielen Dank für Ihre nette Gesellschaft, Natalja. Was für ein wunderschöner Name!«, fügte er hinzu, als sie sich bereits abwenden wollte. »Russisch? Aus welchem Teil des Russischen Reichs stammen Sie?«
Sie musterte ihn lächelnd. »Herr Lacroix, legen Sie den Kommissär für ein paar Stunden beiseite, entspannen Sie sich und lassen Sie einer Frau ein paar Geheimnisse.« Sie blinzelte ihm zu und verschwand durch eine der hinteren Türen.
Er lachte auf. Glitschig wie eine Kröte, aber schön wie eine russische Prinzessin. »Bringen Sie mir einen Whiskey, Jakob. Und geizen Sie nicht damit.«
Der Barmann schenkte ihm zwei Finger hoch ein und Guy leerte das erste Glas in einem Zug.
6
Das Automobil des Fürstbischofs wartete vor dem Eingang des Salons. Natalja blieb auf der Treppe stehen und sah zum Himmel. Irgendwo dort oben mussten die Sterne sein. Der Mond. Wie gerne würde sie in ein Luftschiff steigen und zum Mond fliegen. Weg aus der vollkommenen Dunkelheit, die durch keinen Funken durchbrochen wurde.
Das war der Preis, den sie für ihre Sicherheit zu zahlen hatten. Die Dampfmagier hatten ganze Arbeit geleistet, der Schutzschild hielt die Strahlung ab - aber auch das Sternenlicht, das Gesicht des Mondes, wachsend und schwindend wie die Gezeiten, denen er befehligte.
Natalja lächelte. All das kannte sie nur aus Erzählungen der Alten, aus Büchern und von Bildern. Aber wenn sie die Augen schloss und in die Dunkelheit lauschte, dann war es ihr, als könnte sie die Schönheit der Nacht mit eigenen Augen sehen.
Das Hupen des Chauffeurs riss sie aus ihren Gedanken. Sie stieg in den Wagen. Der Fahrer ließ die Trennscheibe hinunter und suchte ihren Blick durch den Rückspiegel.
»Du bist pünktlich«, sagte sie.
»Ist Rosa heute im Salon?«
»Natürlich. Das ist sie doch immer.«
»Gut. Zur Oper?«
»Nein, zuerst zum Stift.«
Er startete den Wagen und brachte sie zum Eingang des St. Benediktus-Stifts.
»Lass den Motor laufen.« Natalja stieg aus und ging zu dem hohen Tor. Der große Hof war menschenleer, die Fenster erleuchtet. Hier und da
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