Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)
lehnte sich von außen an die Tür und atmete tief ein und aus. Was für ein Tag. Die Begegnungen mit dem Fürstbischof strengten sie an. Man musste beständig auf der Hut sein. Ein falsches Wort konnte seinen Unwillen heraufbeschwören und das wollte sie nicht riskieren. Unwillkürlich griff sie nach ihrer Pistole und streichelte über den kühlen Perlmuttgriff. Noch nicht.
7
Eine Fliege krabbelte an der Stuckdecke entlang und blieb im Nasenloch eines kleinen dicken Engels sitzen. Unfähig, sich zu bewegen, starrte Guy an die Decke. Er tastete neben sich. Die Betthälfte war leer, strahlte aber noch Körperwärme aus. In seinem Schädel tanzten Elefanten. Das Gebilde in seinem Mund war viel zu groß für eine Zunge. Er stöhnte. Langsam verdichte sich das Rauschen in seinem Schädel zu Bildern. Natalja Poljakow, der Salon, Whiskey. Ein ganzes Meer voller Whiskey. Er war betrunken gewesen. Sein Kopf erinnerte ihn schmerzhaft daran, wie betrunken er tatsächlich gewesen war. Vorsichtig setzte er sich hin, an das Kopfende des riesigen Bettes gelehnt.
Seine Kleider lagen ordentlich gefaltet auf einem Stuhl. Er griff nach seiner Weste und zog die Taschenuhr heraus. Verdammt! Mit einem Satz stand er auf wackligen Beinen. Er musste ins Revier.
»Na Tiger, wie wäre es mit einem Frühstück?« Eine üppige Brünette lehnte im Türrahmen. Ihr Morgenmantel klaffte aufreizend auseinander und gab den Blick auf ihre Brüste frei. »Du musst Hunger haben nach der anstrengenden Nacht. Oder möchtest du vor dem Essen einen Nachschlag?« Sie lächelte und öffnete den Morgenmantel noch weiter.
Guy zog sich schweigend an. Er kramte in seinem Gedächtnis, konnte sich aber nicht an den Namen der Hure erinnern. Sie hatte ihn die Treppe hinauf geschleppt, in dieses Zimmer. Mit geschickten Händen hatte sie ihn entkleidet und aufs Bett gezogen. Danach war alles schwarz.
Vor dem großen Facettenspiegel band er seine Krawatte und strich über die Weste. Der Blutfleck war verschwunden, auch die Manschetten seines Hemdes waren makellos weiß. Die Kleider waren gereinigt und gebügelt worden.
Die namenlose Hure legte ihre Hand auf seine Schulter. »Wie hast du geschlafen?«, fragte sie und küsste ihn auf den Hals. Er warf ihr einen kalten Blick im Spiegel zu und sie fasste ihren Morgenrock zusammen. »Du bist nicht sehr gesprächig, was?«
Er warf sich den Mantel über und tastete nach seiner Börse, die sich noch an ihrem Platz befand. Dann ging er, ohne die Frau noch eines Blickes zu würdigen.
»Wenn du wieder einmal im Salon bist«, rief sie ihm nach, »dann frag nach Milla!«
Guy ging die Treppe hinunter. Es roch nach kaltem Rauch. Eine Bedienstete wischte die Tische sauber. Als sie ihn bemerkte, ließ sie den Lappen in einen Eimer klatschen und trocknete sich die Hände an ihrer Schürze. »Guten Morgen, Herr Kommissär. Wünschen Sie ein Frühstück?«
Er schüttelte den Kopf, durchquerte den Gastraum, Spielzimmer, Rauchsalons und Korridore und gelangte endlich in den Gang, der nach draußen führte. Ein livrierter Diener hielt ihm die Tür auf. »Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Nacht«, sagte er. »Beehren Sie uns bald wieder, Herr Kommissär!«
Der Wachmann öffnete das Tor, bevor Guy dort angelangt war, zog seine Mütze vom Kopf und deutete eine Verbeugung an. »Ich wünsche einen guten Tag, Herr Kommissär!«
Auf der Straße winkte Guy eine der stinkenden Mietkutschen heran und nannte dem Fahrer die Adresse des Reviers. Und es hätte ihn nicht gewundert, wenn auch der ihn mit Namen angesprochen hätte.
8
Die Vorbereitungen sind abgeschlossen. Ich habe das Becken mit flüssigem Æther gefüllt, der als Katalysator dient. Die Teslatransformatoren sind auf die Frequenz der Hirnwellen eingestellt und arbeiten einwandfrei.
Ich hätte gerne zuerst ein Versuchsgehirn isoliert, doch dazu bleibt keine Zeit. Wenn der Transport gelingt, werde ich Magister Pötts wieder vollständig herstellen können, sobald die Materia ihr letztes Geheimnis preisgegeben hat. Und das wird sie. In Trismegistos Namen, das wird sie!
Absolon trat ans Bett seines Meisters und sah ihn lange an. Oder das, was von ihm übrig war. Magister Pötts‘ Körper war nur noch eine gallertartige Masse und doch beugte sich Absolon vor und gab ihm einen Kuss auf Stirn. Er spürte ein warmes Gefühl in seinem Magen. Er liebte diesen Mann mehr als irgendetwas anderes auf der Welt – soweit er zu einem Gefühl wie Liebe fähig war. Magister
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