Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)
verstehen?«
Edda strich mit den Fingern über das Foto. »Das«, flüsterte sie, »bin ich. Und das«, sie berührte die Tätowierungen an ihrem Hals, »ist ein Teil von mir. Wenn er mir meine Stimme nähme, wäre ich nicht mehr ich. Und das wäre schlimmer als sterben.«
Natalja wischte die Hand der Primadonna von ihrer Schulter wie ein klebriges Insekt und wandte sich zur Tür. »Ich schicke Mariechen herein, damit sie dir hilft.« Sie drückte die Klinke hinunter.
»Natalja!«
Sie sah über die Schulter. Ein Blick, drei endlose Sekunden lang, und Natalja nickte. »Morgen nach der Vorstellung.«
Der Chauffeur holte sie pünktlich am Hintereingang ab. Seine Wangen waren gerötet und er grinste selig. Auf Rosa war Verlass. Natalja ignorierte seine Blicke und sah aus dem Fenster. Edda. Warum lehnte sie jede Hilfe ab, wollte nicht einmal darüber nachdenken, ob es eine Möglichkeit gab, sie zu retten? Wie konnte sie nur so stur sein? So blind?
Sie blinzelte eine Träne weg und straffte den Rücken. Für den Besuch beim Fürstbischof benötigte sie all ihre Aufmerksamkeit. Sie konnte sich keine Schwäche leisten. Nicht jetzt.
Keine Viertelstunde später betrat sie Fürstbischof Clemens Pauls Büro und wartete an der Tür, bis er ihr endlich Aufmerksamkeit schenkte. Er erhob sich stöhnend von seinem Stuhl, drückte den Rücken durch und den beachtlichen Bauch heraus, und kam um den Schreibtisch herum, um ihr die Hand zum Kuss zu reichen. Er roch nach Puder und einer Mischung aus altem Schweiß und Rosenwasser.
»Setz dich«, sagte er und sie nahm auf einem der rotgepolsterten Stühle Platz, die Hände auf den Knien gefaltet. »Was gibt es Neues?«
»Baron von Schenk hat den Weg in den Salon gefunden. Er findet Gefallen an Veronique.«
Fürstbischof Clemens Paul lachte und winkte seinen Sekretär heran, der ihm Rotwein nachgoss. Dessen Miene war unbeteiligt, sein Blick arrogant wie immer. »Solch außergewöhnliche Vorlieben hätte ich dem Baron gar nicht zugetraut.« Der Fürstbischof tupfte sich die Lippen mit einem weißen Spitzentaschentuch ab.
»Und ich hatte Besuch von einem Kommissär des KKA«, fuhr Natalja fort. »Guy Lacroix.«
Der Fürstbischof hob die Augenbrauen. »Was wollte er?«
»Trinken. Eine Frau. Nichts Besonderes. Aber ich dachte, Ihr hättet den Leiter des KKA …«
Er brachte sie mit einer Geste zum Schweigen, faltete die Hände und legte die Zeigefinger an die Lippen. Dann nickte er. »Gut. Ich denke, das ist nicht von Belang, aber ich behalte ihn im Blick. Was ist mit dem Leitenden Dampfmagischen Direktor? Hast du in Erfahrung bringen können, wie seine Pläne für die Durchsetzung der Einschränkungen zum Magiegebrauch aussehen? Paragraph 12/16 ist bereits seit zwei Wochen in Kraft und ich konnte noch keine Bemühungen seinerseits ausmachen, den Paragraphen auch in der Praxis umzusetzen.«
»Er hält den Paragraphen für zu extrem. Nicht praxistauglich, nannte er ihn.«
»Das hatte ich erwartet. Sturer Bock. Hieronymus!«
»Exzellenz?«
»Kontaktieren Sie unseren Vertrauten in der DMG. Ich muss sichergehen, dass man Direktor Sandvoss noch trauen kann.«
Der Sekretär ging aus dem Zimmer. Clemens Paul trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch und starrte in die Flamme des Gaslichts, das den Arbeitsplatz erhellte. Natalja wartete schweigend, bis er ihr den Blick wieder zuwandte.
»So«, sagte er und setzte ein Lächeln auf, das Natalja nur zu gut kannte. »Wenden wir uns erfreulicheren Dingen zu. In der nächsten Woche erwarte ich den Inquisitor. Zu seinen Ehren wird ein kleiner, aber sehr exklusiver Empfang stattfinden, den Lord St. Maur an Bord seines Luftschiffes ausrichten wird.«
Natalja nickte. »Kennt Ihr die Vorlieben des Inquisitors?«
»Ich hörte, er hätte eine Schwäche für Jünglinge und Fesselspiele.« Clemens Paul zog verächtlich die Mundwinkel nach unten. »Such etwas Passendes aus. Mit Einzelheiten möchte ich nicht belästigt werden.« Er nippte an seinem Wein, tupfte die Lippen, schüttelte den Kopf, als wolle er sich von einem schlechten Gedanken befreien. Dann lächelte er. »Meine Vorlieben sind dir ja bekannt. Samstag, nach der abendlichen Messe. Ich möchte, dass es perfekt ist, verstehst du? Keine Zwischenfälle!«
»Natürlich. Ich habe ein Mädchen, blond, mit großen braunen Augen …«
»Keine Einzelheiten! Überrasch mich.« Er erhob sich, das Gespräch war beendet.
Natalja verließ das fürstbischöfliche Arbeitszimmer. Sie
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