Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)
Wohnung um. Ein kleiner Tisch, auf dem ein voller Aschenbecher und mehrere benutzte Gläser standen, ein abgenutzter Sessel. Ein leeres Bücherregal. »Nett haben Sie er hier, Herr Havener. Verraten Sie mir doch bitte, was einen feinen Herrn, der selbst wochentags nur gestärkte Hemden trägt, in eine solche Absteige treibt?«
»Es wäre besser, wenn Sie jetzt gehen Herr …«
»Lacroix. Wie unhöflich von mir. Guy Lacroix, Kommissär im Dienste des Kaiserlichen Kriminalamtes.« Guy zeigte seine Dienstmarke, auf die Havener nicht einen Blick verschwendete.
»Herr Kommissär, ich habe mich keines Verbrechens schuldig gemacht, Sie belästigen einen unbescholtenen Bürger.« Er wies auf die Tür. »Gehen Sie. Bitte.«
Blitzschnell drehte Guy Haveners Arm auf den Rücken und drückte den Mann an die Wand. »Sie haben ein Wohnhaus in die Luft gejagt, Sie verdammter Anarchist, und dafür werden Sie büßen.«
Zu Guys Verwunderung lachte Havener. »Anarchist? Sie haben keine Ahnung, Lacroix. Sie haben keine Ahnung, mit wem Sie sich anlegen.«
»Ich kenne dich. Dich und deinesgleichen. Und ich habe noch jeden von euch kleingekriegt.« Ein gezielter Schlag in die Nieren. »Warum lachst du nicht mehr?« Ein zweiter folgte und Havener sackte keuchend zu Boden.
Guy nahm die Handschellen vom Gürtel, zerrte den Mann zum Bett und kettete ihn ans Kopfende. »Du musst nicht reden, wenn du nicht willst«, sagte er. »Ich kriege dich, so oder so.« Er wandte sich zu der offenen Tür, die in eine kleine Küche führte. Bevor er sie betrat, drehte er sich noch einmal um. »Geh nicht weg, hörst du?«
»Ich habe Freunde.« Havener hustete und hielt sich die Seite. »Die werden Sie zur Rechenschaft ziehen, Kommissär. Ich bin sicher, dass Sie nicht scharf auf eine Dienstaufsichtsbeschwerde sind. Aber Sie können jetzt einfach gehen, dann vergesse ich den Vorfall.«
»Ich gehe«, sagte Guy, »sobald ich mit meiner Arbeit fertig bin.«
Auf dem Herd stand eine Pfanne mit Rühreiresten, auf dem Tisch ein schmutziger Teller und eine halbleere Milchflasche. Ansonsten war der Raum so kahl wie das andere Zimmer. Guy klopfte die Bodendielen ab, eine davon schien locker zu sein. Er zog sein Messer, hob sie an und griff in den Hohlraum, tastete und fühlte einen Beutel. Er zog ihn heraus und breitete den Inhalt des Beutels auf dem Tisch aus. Dabei biss er die Zähne so fest aufeinander, dass seine Kieferknochen knirschten.
Durchsichtige Phiolen, von deren Inhalt ein Leuchten ausging. ætherblaues Leuchten. Ambrosia.
Er trat in den Türrahmen und starrte Havener an, der auf dem Bett lag und aufhörte, an den Handschellen zu zerren, als er Guy bemerkte. Aber Guy sah nicht den Mann, nicht das Bett, nicht das Zimmer. Er sah Hedwig.
Hedwigs nackten Körper auf einem kalten Stahltisch. Geschlossene Augen, bleiche Haut. Männer mit Skalpellen in den Händen. Blitzende Klingen, die die Hautschichten durchdrangen, das Fleisch. Hedwig. Er ballte die Fäuste. Knochensägen, Knirschen und dröhnendes Brechen. Blut. Überall Blut.
Ein Schrei. Ein Wimmern. Guy sah seine Faust auf Haveners Nase hämmern, hörte Knochen brechen. Er starrte auf seine blutigen Knöchel. Öffnete die Faust, schloss sie wieder. Und schlug erneut zu. Seine Fäuste hämmerten auf die Wangen, die Schultern, die Brust. Der Mann zog die Beine an, versuchte sich zu schützen.
Verdammter Drogenhändler! Ein Schlag in die Rippen. Ein Treffer ins Zwerchfell. Der Kiefer. Guy konnte nicht aufhören, den Körper mit Schlägen zu traktieren. Er wollte nicht aufhören. Er wollte sehen, wie das Stück Dreck litt. Litt wie die armen Schweine, denen er das Teufelszeug andrehte, die ihre Töchter verkauften, ihre Frauen auf den Strich schickten für ein paar Stunden Linderung ihrer Schmerzen, die danach umso gewaltiger zurückkehrten.
Der Mann hatte aufgehört sich zu bewegen. Guy starrte auf den Körper auf dem Bett, das blutverschmierte Laken. Seine Augen waren zugequollen, die Lippen aufgeplatzt und angeschwollen, das ganze Gesicht ein Gebilde aus Blau und Rot. Blutrot.
Guy nahm das Handgelenk des Bewusstlosen, fühlte den Puls. Gut. Dann nahm er ihm die Handschellen ab, steckte sie in die Tasche, klaubte die Phiolen mit dem Teufelszeug vom Küchentisch.
»Hedwig«, flüsterte er. »Ich hätte dich ihnen nicht überlassen dürfen. Es tut mir leid. Es tut mir so leid«
Er ging aus der Wohnung, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Draußen atmete er tief ein und aus. Hustete. Jetzt
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