Gwen (German Edition)
stolzierte vor Gwen auf und ab. „Da war doch noch etwas, das ich Ihnen erzählen wollte! Ach ja, die Todesart. Ich bin ein großer Tierliebhaber.“ Wieder eine Kunstpause, um Gwens Reaktion auszukosten.
Aber da gab es nichts auszukosten. Sie schien die Gefahr nicht zu checken, in der sie sich b efand. Dirk schon. Die Haut über seinen Handgelenken war aufgeplatzt bei seinen ständigen Versuchen, die Fesseln zu zerreißen. Und er versuchte es weiter und weiter. Warum konnte Gwennie sich nicht einfach in Luft auflösen wie sonst immer?
„Sie können wählen zwischen Schlangen …“, B starrte sie an, „… und Hunden. Was wählen Sie?“
„Die Hund e“, sagte sie ruhig, als hätte sie sich für Ginger Ale statt für Guinness entschieden.
„Venus und Apollo zu mir bringen!“, befahl der elegante Herr in ein Handy, wobei er nun wieder Englisch sprach.
„Venus und Apollo sind meine besonderen Lieblinge“, wandte er sich wieder in selbstzufriedenem Deutsch an Gwen: „Sie wurden zeitlebens für derartige Aufgaben vorbereitet. Besonders meine Venus hat einige …“, er lächelte, „…Erfahrung.“ Seine gewählte Ausdrucksweise stand in einem bizarren Kontrast zu der irrsinnigen Grausamkeit in seinen Augen.
Gwen überlegte fieberhaft.
Sie hatte die Hunde gewählt, weil sie mit Hunden aufgewachsen war und sie einschätzen konnte. Doch welche Mörderbestien würden das sein?
Die Hunde wurden von einem breitschultrigen Mann mit indianischen Gesichtszügen hereingeführt, der ihre Leinen dem eleganten Herrn übergab und sogleich wieder verschwand.
Der Elegante, beziehungsweise B , als der er sich geoutet hatte, klopfte den Hunden auf ihre Köpfe. Doch anstatt sich über diese Zuwendung zu freuen, legten die Tiere die Ohren an und duckten sich. Es war keine Liebe, wie Gwen sie von Barry erfahren hatte oder von Bilbo, seinem Vorgänger. Es war ängstliche Unterwerfung. Anscheinend hatten Venus und Apollo von ihrem Herrn nur Härte zu spüren bekommen. Kein Wunder, denn nur mit Brutalität machte man Hunde scharf.
Sie waren Dobermänner. Wenigstens keine Bullterrier, wie Gwen insgeheim befürchtet hatte. Trot zdem schlimm genug. Gwens beherrschte Fassade drohte Blasen zu werfen.
Nachdenken! Nachdenken! Nac hdenken!
Die beiden Dobermänner schienen zu wisse n, was auf sie zukam. Sie knurrten abwechselnd Gwen, Dirk Statler und den Mann an, von dem Gwen vorhin fast zerquetscht worden war und den B „Clayton“ genannt hatte. Der Blick des jungen, kräftigen Rüden hetzte angriffsbereit hin und her. Die Hündin war schmaler, sichtlich älter und lotete die Umgebung mit lauernder Ruhe aus. Vermutlich war die Hündin der gefährlichere Gegner.
Der elegante Herr ließ die Szene auf sich wirken, begierig darauf, Gwens Angst zu genießen wie ein Glas Champagner.
Nachdenken! Nachdenken! Nachdenken!
Noch kannten die Hunde ihr Opfer nich t. Zwei Hunde, drei Ziele: Dirk Statler, der wie verrückt an seinen Fesseln zerrte, Clayton, der stoisch dastand und Gwen mit der Waffe bedrohte, und Gwen. Sie musste sich auf jeden Fall so verhalten, dass die Hunde keinesfalls in ihr das Opfer sahen.
„Bereit zu sterben, meine Liebe ?“, höhnte der elegante Herr.
U nd plötzlich fiel Gwen ein, was bisher jeden Hund, ob Barry oder Bilbo, oder auch die bissige Sindy von den O’Kavanaghs, immer maßlos verwirrt hatte. Es war nicht viel als Waffe gegen B’s Bestien, doch es war alles, was Gwen hatte. Sie begann zu singen, das erstbeste Lied, das ihr einfiel: „ High upon the gallows tree swung the noble-hearted three by the vengeful tyrant stricken in their bloom ...”
Zuerst war ihre Stimme zittrig und leise, doch bald fühlte sie die geballte Kraft der irischen Freiheitskämpfer in sich. „ But they met him face to face with the spirit of their race ...”
Währenddessen schlenderte Gwen unverbindlich seitwärts in dem Bemühen, möglichst harmlos auf die Hunde zu wirken. Wie eine Person, die keinesfalls als Feind in Frage kam. „ And they went with souls undaunted to their doom .”
„ Beeindruckend!” stach die Stimme des eleganten Herrn in Gwens Hymne hinein. „Mit einem Kampflied geht sie in den Tod. Das übersteigt noch meine kühnsten Erwartungen!“
„ God save Ireland, said the heroes ...” Bei den ersten Worten dieses Refrains blieb Gwen stehen, genau zwischen Dirk Statler und diesem Clayton. Beide schauten Gwen mit der fassungslosen Verblüffung an, die sie eigentlich bei den Hunden hervorrufen
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