Gwen (German Edition)
Aktenordner auf den Tisch hauen, bis wieder Ruhe herrschte, und dann ermahnte er Sartin, endlich mit der Befragung zu beginnen, wenn jetzt die Formalitäten der Anrede geklärt wären.
Und Sartin begann: „FRAU O’Connor“, mit übertriebener Betonung auf FRAU, „können Sie dem Gericht bitte begreiflich machen, warum ausgerechnet Sie sich kompetent genug fühlen, dem Wissenschaftler-Team der Statler-Werke sowie den Ellmstädter Behörden Vorschläge oder gar Vorschriften machen zu wollen? Trifft es nicht zu, dass Ihnen erst vor kurzem Ihre Assistentenstelle an der Chemischen Fakultät der Ellmstädter Universität gekündigt wurde? Ich muss sagen, das spricht nicht gerade dafür, dass Ihr damaliger Vorgesetzter Prof. Dr. Heydemann in Ihnen eine Chemikerin von Nobelpreis-Niveau vermutet hat.“
Sartin war tatsächlich jeden astronomischen Scheck wert, den Dirk ihm bisher gelöhnt hatte.
Gwen: „Es ist zwar korrekt, dass ich die Stelle verl oren habe, doch ...“
Sartin unterbrach: „Aha! Sie geben also zu, dass Sie die ...“
Jetzt unterbrach Gwen: „Darf ich ausreden?“ Sie hatte Sartin angeschnauzt, aber den Richter d abei angeschaut.
Der Richter nickte, und Sartin sagte: „Aber natürlich dürfen Sie ausreden, Teuerste! Wir alle h ören Ihnen gespannt zu.“ Er hatte einen Ton drauf wie ein Nervenarzt, der mit einer Patientin redete. Gerissen, der Typ!
Und Gwen sagte: „Seltsamerweise hat Prof. Heydemann mir gekündigt, nachdem er mit Sta tler telefoniert hatte. Das kann man sicher über die Telefonrechnung nachweisen.“
Sartin: „ So?“ Er hatte noch immer die Nervenarzt-Nummer drauf. „Selbst wenn das stimmt, überschätzen Sie sich da nicht ein wenig, meine Teuerste, wenn Sie annehmen, dass der Besitzer eines großen Chemiekonzerns und einer der führenden Wissenschaftler des Landes über nichts Wichtigeres als über Sie zu diskutieren hätten?“
Gwen: „Vielleicht haben sie ja auch über das schöne Wetter geredet. Trotzdem hatte ich hinte rher keinen Job und keine Doktorarbeit mehr.“
Wieder gingen e in paar Lacher auf Gwens Konto. Sie redete weiter: „Ich will damit nur andeuten, dass bei Fragen der Personalbesetzung noch andere Faktoren eine Rolle spielen als fachliche Kompetenz, beispielsweise die Statler-Forschungsgelder, die einen großen Teil von Prof. Heydemanns Projekten finanzieren. Im Übrigen geht es hier nicht um meine Person.“
I hr Blick wanderte zu den Reportern hinten im Saal wie bei einer Lehrerin, die auch die Bälger in der letzten Reihe im Griff hatte. „Es geht nicht darum, wie kompetent ich bin oder nicht bin, sondern um Tatsachen, die für jeden einsichtig sind, nämlich um die Zerstörung allen Lebens in den Statler -abwärts gelegenen Flussabschnitten der Ellm. Und damit wird ein Fluss zerstört, der seit Tausenden von Jahren die Menschen hier ernährt, in dem seit Tausenden von Jahren Kinder baden, in dem seit ...“
Sartin ließ sie zum Glück nicht ausreden: „Das, meine Liebe, gehört jetzt aber an Ihren Grünen-Stammtisch und nicht hierher! Hier wollen wir doch sachlich bleiben, auch wenn es Ihnen schwer fällt. Besonders wenn man die fragwürdigen Methoden Ihrer Wasseranalysen genauer betrachtet, die wohl unter abenteuerlichen Heimwerker-Bedingungen durchgeführt wurden und daher kaum als glaubwürdig gelten können. Die mit einem hochmodernen Forschungslabor ausgestatteten international renommierten Wissenschaftler der Statler-Werke kamen nämlich zu anderen Ergebnissen.“
Gwen: „Erstens kam der unabhängige Gutachter der Wasserschutzbehörde zu den gleichen R esultaten wie unser Survival-Chemiker-Team, und zweitens ...“
Sartin versuchte ihr „Zweitens“ zu verhindern: „Auch die Gutachter verwendeten leider ve raltete Analysemethoden.“
„Und zweitens“, donnerte Gwen, „können die Analysen jederzeit wiederholt werden. G eben Sie mir ein Labor, und ich mache Ihnen die Untersuchungen nach jeder anerkannten Methode, die Sie wollen. Ich bin auch bereit, jetzt sofort, wenn Sie wollen, Herr Anwalt, mit Ihnen gemeinsam zur Ellm zu gehen und zu den Ausmündungen von Statlers Abflussrohren zu tauchen, um die erforderlichen Proben unter Ihrer Aufsicht zu entnehmen. Das heißt, wenn Sie Ihrem Designer-Anzug diese ätzende Brühe zumuten wollen.“
Sie wartete, bis die Zuschauerlache abgeklun gen war. „Und wir würden wieder das gleiche Ergebnis erhalten, nämlich polychlorierte ...“
Sartin endlich: „Ihre Kompetenz, derartige
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