Gwen (German Edition)
grinsend von oben bis unten und zwinkerte ihr in siegessicherer Frechheit zu.
Das Bedürfnis wegzurennen wurde übermächtig. Doch mit e inem kurzen Blick auf Lutz tankte sie noch etwas von dessen naturbelassener Lebensfreude, atmete tief durch und betrat erhobenen Hauptes den Gerichtssaal. In der Absicht zu kämpfen.
Bis zum Letzten.
Mit der Wirkung der Distanz hatte Dirk gerechnet. Irland war Irland und Ellmstadt war Ellmstadt. Eigentlich schade, dass der kurze Abstecher in Gwens Feenwelt vorbei war, aber Dirk war Realist und erwartete nicht, dass zwischen ihm und Gwen jetzt irgendwas anders war als vor dem Irland-Trip.
Trotz dem hatte er sich ab und zu bei Tagträumen erwischt, vor allem kurz vorm Einschlafen, wo er sich vorstellte, wie es war, sie im Arm zu halten vor dem Kamin. Das zeigte ihm, dass es langsam Zeit wurde, dass er sich endlich wieder ‘ne Frau ins Bett holte.
Und zwar zur Abwechslung mal eine vernünftige Frau.
Sofort nach seiner Rückkehr aus Irland hatte ihn die Firma völlig vereinnahmt. Nachdem er ein paar dringende Sachen auf die Reihe gekriegt und mit C die Strategie für den Prozess durchgesprochen hatte, war er erst mal von einer tierischen Grippe umgehauen worden. Er hatte sich dabei nach Gwens Wärme und Maureens Ingwertee gesehnt, hatte aber nur das Geschwafel von Krämer und den Anwälten gekriegt. Irgendwann war seine Grippe dann doch vorbeigegangen, und auch die Erinnerung an Irland war verblasst zu etwas Irrealem. So wie die Wunde an seinem Arm nur noch als Narbe da war.
Aber als er Gwen jetzt im Gerichtssaal sah, traf ihr Anblick ihn wie Wallys Fauststoß neulich beim Training, als Dirks Abwehrtechnik zu lahm gewesen war.
So wie heute hatte er sie noch nie gesehen, so elegant. Ganz anders als die kleine Frau, die barfuß mit ihrem Hund am Strand herumgetobt war. Jetzt kam sie daher, als hätte sie nie was anderes an ihren Füßen gehabt als hohe Stöckelabsätze.
Wie ein wunderschön eingewickeltes Geschenk wirkte sie, um das seine Anwälte sich bald ba lgen würden wie die Wölfe um die Beute. Dirk konnte es sich lebhaft vorstellen, wie Sartin, der Star-Rechtsverdreher, das mit Genuss erledigen würde, was eigentlich Dirk zugestanden hätte. Sartin würde sie fertigmachen, ihren überheblichen Stolz wie Kleider von ihr reißen. Stück für Stück. Bis sie schließlich am Boden liegen würde, besiegt, völlig fertig. Dann würde Dirk sie aufheben und trösten.
Oder so ähnlich.
Sie ging zu ihrem Platz, und ihr Blick lag noch immer auf Dirk, grünäugig und unergründlich. Unmöglich zu erraten, was sie jetzt dachte. Von „das ist der Mann, den ich will“ bis „dir werd ich gleich das verdammte Fell abziehen, du Arschloch“ war alles drin.
Sie setzte sich, und ihr kleiner Körper verschwand dabei völlig zwischen ihren SURV IVAL-Typen, so dass Dirk sie nicht mehr sehen konnte. Aber dafür spürte er ihre Anwesenheit. Fast glaubte er, das Knistern von Kaminfeuer hören zu können.
Aber es war nur das Rascheln von Krämers Notizblättern, die der zusammenraffte, als der Richter und die anderen Sesselfurzer den Saal betraten.
Die Show begann.
Es passte verdammt wenig zu r Sensationsgier der Pressefritzen, wie das Gericht die Sache anging: langweilig, fast schon gewollt langweilig. Die Anklagepunkte wurden langatmig verlesen, Paragraphen wurden geritten, die Reporter gähnten. Dirk zwang sich, den Betroffenen zu markieren, auch als dann die Gutachter dran waren.
Das war auch nicht viel besser.
Der Gutachter des Staatsanwalts brachte endlose Zahlen daher, was die öde Stimmung nicht gerade aufpeppte, konnte aber einen wesentlichen Treffer verbuchen, indem er darauf herumritt, dass die erlaubten Einleitungshöchstmengen von Null-Komma-Null-Null Mikrogramm drastisch überschritten worden waren. Nach den Gutachtern war Montini dran, Dirks neuer Chef-Chemiker. Und natürlich zweifelte der die Messmethode, die Messgenauigkeit, die Messwerte, einfach alles an. Dirk tippte auf unentschieden, als das Gericht das Gelabere um eine Stunde für die Mittagspause unterbrach.
Dirk stand auf und kämpfte sich durch die Me nschenmenge, um zu Gwen zu gelangen. Aber dass sie nur eine halbe Portion war, verschaffte ihr einen Vorteil. Sie schlängelte sich durch wie ein Aal und war vor Dirk draußen. Er sah gerade noch, wie sie mit der langbeinigen Blondine und diesem Biologenwichser in einen verrosteten Fiat Punto stieg und wegfuhr.
So verbrachte Dirk die Mittagspause mit
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