Gwen (German Edition)
auf dieses Ziel hin orientiert gewesen. Nun, da alles vorbei war, fühlte sie sich ziellos, orientierungslos, arbeitslos.
„Aber Gwennie, was ist denn mit Ihnen los ?“ Dirk Statler sah zu ihr herüber, als er an einer Ampel halten musste. „Sie haben gerade die Schlacht Ihres Lebens gewonnen, aber Sie schauen so frustriert aus der Wäsche, als hätten Sie Ihre Joghurtbecher in die falsche Recyclingtonne geworfen.“
„Ich wollte Ihre Firma nicht zerstören“, sprach sie müde.
„Haben Sie jetzt etwa Gewissensbisse? Mir gegenüber?“
„Nein, natürlich nicht! Aber Ihren Arbeitern und Angestellten gegenüber. Sie verlieren nun ihren Job, und das wollte ich nicht.“
„Daran hätten Sie früher denken sollen .“ Die Ampel wurde grün, und er fuhr weiter.
„Sie hätten ja auch auf die umweltfreundliche Produktionsmethode umstellen können“; schoss sie zurück. „Dann wäre das Ganze nicht derartig eskaliert.“
„Ich hab schon mal erklärt, dass das nicht ging.“
Forschend musterte sie sein Profil. „Und Sie sind kein bisschen traurig? Immerhin haben Sie soeben Ihre Firma verloren, doch Sie scheinen merkwürdig gelassen deswegen und merkwürdig freundlich mir gegenüber. Macht Ihnen das alles denn gar nichts aus?“
Er lächelte kurz zu ihr herüber. „ Das weiß ich noch nicht. Im Moment empfinde ich gar nichts. Schocktaubheit nennt man so was wohl. Ein Teil von mir ist sogar erleichtert.“
„Erleichtert?“
„Ja, irgendwie schon. Oder haben Sie geglaubt, es hat mir Spaß gemacht, dass Sie mich immer nur als das Umweltverschmutzer-Arschloch sehen? Und außerdem kommt jetzt der Reiz des Neuen dazu. Das Alte ist irgendwann in Bahnen gelaufen, die ich selber gar nicht mehr bestimmen konnte. Wo ich abhängig war von …“, er stockte, „… meinen Großkunden.“ Er überholte einen Bus. „Jetzt kann ich was ganz Neues aufbauen. Auf eigene Faust. Seit ich die Statler-Werke übernommen habe, war ich nur Geschäftsmann, und mein Arsch war fast schon auf meinem Chefsessel festgewachsen. Aber jetzt kann ich mal zeigen, was ich als Ingenieur draufhabe. Denn das war’s, was ich eigentlich gelernt habe.“
„ Und was wollen Sie tun?“
„Keine Ahnung. Wahrscheinlich erst mal U rlaub, um darüber nachzudenken. Eine Bike-Tour durch Irland zum Beispiel mit Ihnen als Fremdenführer. Wie wär’s, Gwen? Am Tag zeigen Sie mir die Schönheit Irlands und in der Nacht Ihre eigene.“
Sie lächelte. „Sie sind ein unmöglicher Kerl, Dirk Statler!“
Er zwinkerte zurück.
„Was haben Sie eigentlich mit mir vor ?“, fragte Gwen, als sie in Statlers Tiefgarage einbogen. „Sie haben doch etwas ganz Spezielles geplant, das sehe ich Ihnen an der Nasenspitze an.“ Überraschenderweise hatte sie keine Angst.
„Schon möglich .“ Er parkte das Auto neben seinem Motorrad und schaltete den Motor ab.
„ Was also?“
Statt auszusteigen hängte er seine langen Arme lässig über das Lenkrad und sah Gwen an. „Ich will Sie ein bisschen manipulieren.“
„Mich manipulieren?“
„Früher nannte man das auch: ‘ne Frau verführen. Die Idee kam mir vorhin ganz spontan.“ Nachdenklich runzelte sich seine Stirn. „Warum eigentlich? Normalerweise müsste ich mich jetzt aus Frust vollaufen lassen oder Ihnen die sommersprossige Haut abziehen. Am besten beides. Ist es nicht echt schräg, dass ich Sie stattdessen flachlegen will? Das muss wohl ein Verdrängungsmechanismus sein. Denn beim Sex muss ich nicht über die ganze Gerichtsscheiße heute nachdenken.“
„Da bin ich gespannt, wie Sie das anstellen wollen“, meinte Gwen nicht ohne Neugier. „In Irland haben Sie mir das Verspr echen gegeben, dass Sie erst dann Sex mit mir haben würden, wenn ich mich vor Ihnen ausziehe und Sie dazu auffordere.“
„Und heute werde ich Sie genau dazu bringen, Schätzchen .“ Da war es wieder, das für Dirk Statler so typische selbstüberschätzende Grinsen, das direkt nach ihm benannt werden konnte.
Da Gwen keinesfalls beabsichtigte, ihn zu irgendetwas aufzufordern, was ihn auch nur in Ohrfe igennähe an ihren Körper heranbringen würde, wusste sie nun, dass sie hundertprozentig vor ihm sicher war. Dadurch entspannt und nur interessehalber erkundigte sie sich: „Nach welchem Schema wollen Sie vorgehen?“
„Schema?“
„Bei den Frauen, die Sie bisher verführt haben, werden Sie doch ein gewisses Handlungsschema erarbeitet haben, das sich für Sie bewährt hat. Ich kann mir schon die Schritte vorstellen,
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