Gwen (German Edition)
Heavy-Metal-Sound und warmer Bierdunst entgegen. Die Band auf der Bühne am anderen Ende schrie sich mit untalentiertem Engagement sämtliche Aggressionen vom Leib, während sich die Zuhörer mehr dem Inhalt der Pappbecher vor ihnen als der Musik widmeten.
Das Zelt war zum Bersten voll mit Motorradfahrern, die sich im Wesentlichen nur durch die Vereinsabzeichen auf ihren schmuddeligen Lederjacken oder Jeanswesten voneinander unterschieden.
Verloren stöckelte Gwen hinter Dirk Statler her. Hier und da wurde ihr langer Marsch durch die Tischreihen unterbrochen, da er mal den einen, mal den anderen Motorradfahrer begrüßte. Gwen begann sich verstärkt zu fragen, was sie eigentlich hier sollte. Ein Verhaltensforscher konnte hier womöglich Stoff sammeln für eine Doktorarbeit über die verschiedensten Exzesse humanoider Subkulturen, doch für sie als ...
E in Stoß, und plötzlich konnte sie nur noch nach Luft ringen.
Ein riesiger und ungeheuer fetter Kerl im schwarzen Moto-Guzzi-T-Shirt war mit Gwen zusa mmengeprallt und begrub ihren Oberkörper zwischen sich und der nächstgelegenen Bierzelttischplatte. Sie versuchte verbissen, ihn wegzustemmen, doch er war so schwer wie eine der Anguszuchtkühe von James O’Hara.
Dies war jedoch kein sexueller Übergriff, wie Gwen sogleich feststellte, obwohl die Biker, die an dem betreffenden Tisch saßen, den fetten Moto-Guzzi-Kerl mit begeistertem Gegröle zu Aktivitäten in dieser Richtung aufforderten. Er schien vielmehr zu betrunken, um sich von Gwen erheben zu können, und glotzte sie nur aus alkoholstarren Augen apathisch an.
Mit einem Mal wurde er hochgerissen, und Gwen sah, wie Dirk Statler ihn an Kragen und Gürtel gepackt hatte und in Richtung Biertheke stieß, wo er sogleich von den dort Stehenden aufgefangen und mit Bier versorgt wurde.
„Wo bleiben Sie denn ?“, erkundigte sich Statler lächelnd, als er Gwen vom Tisch hochzog. „Angeregte Gespräche können Sie später führen. Jetzt bringe ich Sie erst mal zu unserem Platz.“
Gwen hielt sich dicht hinter Dirk Statler, da sein massiger Körper den Weg frei pflügte, und fragte sich, ob es hier so etwas wie unseren Platz überhaupt geben konnte.
Erneut hielt Statler an und schlug seine Faust in die eines sitzenden Bikers. „Hallo, Alter!“
Gwen erkannte den anderen erst auf den zweiten Blick: Walter Norlander, der Karatemeister, der schon damals nicht ausgesehen hatte wie ein Karatemeister. In seiner ausgefransten Jeansweste sah er nun noch weniger danach aus, sondern vielmehr wie einer der Schurken in Actionfilmen, die von den richtigen Karatemeistern immer verdroschen wurden.
„Gwen, das ist Wally“, stellte Dirk Statler vor. „ Ach ja, ihr kennt euch ja schon. Setzen Sie sich ruhig zu ihm! Ich besorge nur schnell was zu futtern.“ Und weg war er. Gwen nahm Walter Norlander gegenüber Platz auf der schartigen Bierzeltbank.
„Wie war der Prozess ?“, fragte er. „Dirks guter Laune nach zu urteilen hat er anscheinend gewonnen.“ Die Lachfalten in seinen Augenwinkeln erinnerten mehr als sein restliches Aussehen an den Mann im Karateanzug.
Gwen lächelte z urück. „Er hat verloren.“
„Was?“
Gwen hievte ihre Lautstärke über den allgemeinen Lärm hinweg: „Er hat verloren. Im Moment verdrängt er das Ganze noch erfolgreich. Ab morgen muss ich mir vermutlich Sorgen machen und mich freiwillig für eine Spaceshuttle-Mission melden, um seinem Vergeltungsschlag zu entgehen.“
Der Karatemann schüttelte lachend den Kopf. „Großartig!“
Ihre Verwunderung ließ Gwen blinzeln. „Sie finden es großartig, wenn Ihr Freund seine Firma verliert?“ War Walter Norlander etwa ein Survival-Anhänger? Sympathisch genug wirkte er.
„Nein .“ Sein Lächeln vertiefte sich. „Aber ich finde es großartig, dass auch er mal was von einer Frau auf den Deckel bekommt. Da warte ich schon lange drauf. Bisher war er es immer, der ausgeteilt hat, was Frauen angeht.“
„Ich verstehe.“ N ur zu gut.
Die Rockband machte eine Pause, so dass ein Gespräch möglich wurde, ohne sich mit maxim alem Stimmeinsatz anschreien zu müssen. „Und ich freue mich wirklich darauf, Sie näher kennen zu lernen, Gwen“, meinte der Karatemann, „die Frau, die Dirk zu Fall bringt.“
„So zu Fall gebracht wirkt er gar nicht.“
Walter Norlander lächelte nur weiter und nippte an seinem Bier.
Der Motorradfahrer, der neben Gwen saß und dessen Emblem auf der Lederweste ihn als Repräsentant des Zombie MC auswies,
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