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H2O

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Titel: H2O Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patric Nottret
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offenbaren zu können, der Verständnis für gewisse Abenteuer hätte, welche ihm widerfahren seien, nachdem er unter Wasser einen gepanzerten, sich eigenartig fortbewegenden Fisch gesichtet habe.
    Mit nachdenklicher Miene fügte er hinzu, dieser Fisch sei ihm offensichtlich von einem bösen Geist gesandt worden, der ihn von einem Unglück ins nächste stürzen wollte.
    Sénéchal erhob sich, nahm mit spitzen Fingern eine Flasche Rum aus einer löchrigen Reuse, stellte sie auf den Tisch zwischen ihnen, fand zwei schmutzige Gläser und zog dann sein mit einem Gummiband geschlossenes schwarzes Notizbuch hervor. Sein Blick ruhte eine Weile auf einem Haifischkopf mit stählernen Zähnen, der an die Wand genagelt war, dann setzte er die sorgenvolle Miene eines Mannes auf, der nicht wirklich weiß, wo er bei seiner umfangreichen Arbeit beginnen soll.

84
 
 
 
    Als Pierre Sénéchal die Tür zum Universitätslabor von Saint- Pierre öffnete, verwünschte er nicht zum ersten Mal die Erfindung der Hose: Die junge Frau mit den hübschen Beinen, der er die Fensterscheibe aus Madame Hoareaus Küche anvertraut hatte, trug bei seinem zweiten Besuch leider Jeans. Sie saß an einem kleinen Schreibtisch und las mit konzentrierter Miene ein Schriftstück. Bei seinem Eintreten hob sie den Kopf, lächelte ihn an und griff nach einer Akte.
    »Bonjour, Monsieur Sénéchal. Ich habe mich sofort an die Untersuchung der Glasscheibe gemacht, um die Sie mich gebeten hatten.«
    Sie reichte ihm das Dokument, doch er schüttelte abwehrend den Kopf.
    »Ich verstehe rein gar nichts von der Materie! Könnten Sie mir den Inhalt freundlicherweise erläutern?«
    Sie öffnete die Akte und überflog sie.
    »Da Sie mir ja gesagt haben, dass es sich um ein Küchenfenster handelt, habe ich den Fettfilm und alle anderen Ablagerungen, die vom Kochen herrühren, vernachlässigt und mich nur mit den schwarzen Spuren befasst, auf die Sie mich hingewiesen haben.«
    In halblautem Ton las sie vor:
    »Im Großen und Ganzen handelt es sich um Schmiere ... Mineralfette, Ruß, der von der Verbrennung pflanzlicher Öle herrührt, diverse Pflanzenpartikel. Hm ... Holzkohle, Blütenstaub. Spuren von Eisen, aber auch ...«
    »Eisen?«
    Wieder lächelte sie.
    »Rost.«
    »Was für Rost?«
    »Gute Frage. Verrosteter Stahl, aber wir haben auch Kupfersulfat sowie Reste von weißem Ton gefunden.«
    »Tatsächlich?«
    »Ich habe den gefundenen Blütenstaub mit einer Datenbank abgeglichen. Es handelt sich um Akazie und Rizinus.«
    »Akazie, die Sorte, aus der der Honig gewonnen wird? Gibt es viele Bienenstöcke auf der Insel?«
    »Ja. Der Honig ist im Übrigen sehr gefragt.«
    »Welches Parfüm benutzen Sie eigentlich, Mademoiselle?«
    Verblüfft blickte sie von der Akte auf.
    »Wie bitte?«
    »Ah, ich meine das nicht persönlich. Ich hatte nur den Eindruck, dass die Scheibe nach Vetivergras riecht.«
    Sie runzelte die Stirn, stand auf und ging zu einer Arbeitsplatte. Auf einem großen weißen Stück Papier lag die Scheibe aus Madame Hoareaus Küche, daneben beschmutzte Wattestäbchen. Sie beugte sich über die Glasplatte und schnüffelte.
    »Sie haben recht. Ich benutze diesen Duft auch, deshalb ist er mir nicht aufgefallen ... Aber warten Sie! Hinter diesem Geruch verbirgt sich noch ein zweiter.«
    Sie schloss die Augen.
    »Geranium. Der Duft von Geranien. Doch diese Note ist nur ganz schwach wahrnehmbar.«
    Sie öffnete wieder die Augen und sah Sénéchal an, als wäre ihr soeben etwas eingefallen.
    »Es fehlt noch ein letztes Resultat der Analyse. Warten Sie kurz, ich sehe mal in meiner Mailbox nach.«
    Rasch trat sie zu einem bereits eingeschalteten Computer, tippte etwas in die Tastatur und erklärte dann:
    »Das verstehe ich nicht. Sicherheitshalber habe ich das Spektrum einiger intakter Stahlpartikel, die ich in dem ... Fettfilm gefunden habe, an einen Experten für Metalle geschickt. Jetzt schreibt er mir, dass diese Stahlverbindung seit Ende des neunzehnten Jahrhunderts nicht mehr produziert wird!«
 
    Erst bei Einbruch der Dunkelheit kehrte Sénéchal zu seiner Vermieterin zurück. Bei seinem Eintreffen stellte er belustigt fest, dass das Haus und die nähere Umgebung taghell erleuchtet waren. Die füllige Dame hatte ihr ganzes Geld für Sturmlampen ausgegeben, deren kalter gleißender Schein alle Ecken des Gebäudes, ja sogar den kleinen Innenhof und den Platz vor der Küche erhellte. Er fand sie lesend auf der Veranda, das Gewehr ihres verstorbenen Mannes in

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