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H2O

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Titel: H2O Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patric Nottret
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Metallkonstruktionen, die sich an den Hang schmiegten. Unter ihm hatte sich die Schlucht, die von drei Granitvorsprüngen umschlossen wurde, völlig verändert: Erhellt vom Mond mit seinem weißen Hof, bedeckte ein Nebelsee Bäume, Lavahügel, Gesteinsmassen, Haus und Hühnerstall. Nur die zerklüfteten schwarzen Felsgipfel lugten heraus wie die glänzenden Helme versteinerter Krieger.
    Er zitterte. Der ideale Ort für einen Hinterhalt ... und kein Gewehrmehr da ...
    Den Strahl der Lampe vor seine Füße gerichtet, schritt er durch den Nebel.
 
    Der blonde Mann trat aus dem mit groben Brettern gezimmerten Stall, in dem die Hühner schliefen. Er schlug ein Ei an einer Holzkante auf, schlürfte es mit zurückgelegtem Kopf gierig aus und warf die Schale weg. Um ihn herum wogte der Nebel, vergoldet vom Licht seiner winzigen Lampe. Er war so dicht, dass der Mann seine Hütte, die weiter unten hinter dem geflickten Zaun lag, kaum erkennen konnte.
    Er ging zu seinem Liegestuhl auf der Veranda und legte sich mit einem Seufzer hinein. Während er die Taschenlampe ausknipste, tastete er nach seiner Machete, die neben ihm zwischen zwei Brettern stand. Mit einem erneuten Seufzen kratzte er sich den weißen Ton von der Wange. Einige Flecken bedeckten seinen Oberkörper wie blasse Schuppen. Darunter kam seine dunkle Haut zum Vorschein.
    Sein Blick war merkwürdig starr - wie der einer Statue. Er summte mit näselnder Stimme. Der Nebel wurde immer dichter. Die bleiche Mondscheibe war kaum noch zu sehen. Einen Augenblick lang betrachtete er die Formen der Schwaden, die langsam hin und her wogten. Dann schloss er die Augen und summte schläfrig weiter:
    »Entlang der Schlucht, wenn die Guajaven blühen ...«
    Eine Hand griff ihm von hinten an die Kehle und schnürte sie zu. Er bäumte sich in seinem Liegestuhl auf, langte mit der Hand nach der Machete, griff aber ins Leere. Der Druck auf seinen Kehlkopf wurde fester, seine Augen quollen aus den Höhlen. Vor seinem Gesicht tauchte die Klinge der Machete auf.
    Es gelang ihm zu flüstern:
    »Tu das nicht, Alter, tu das nicht! Der liebe Gott wird dich bestrafen!«
    Sénéchal lockerte seine Umklammerung ein wenig. »Verdammt, was ist das für ein Geräusch da unten im Tunnel?«
    »Hä? Der Tunnelbohrer ... Siegraben!«
    » Was?«
    »Der Tunnelbohrer! Da graben sie nachts, unten ... Um Wasser zu finden ... Wasser!«
    Mit schriller Stimme wiederholte er: »Verstehst du? Waaaaaaassser!«

92
 
 
 
    Vannier, Dienststellenleiter der Gendarmerie, steckte sein kantiges Gesicht durch den Türspalt. Er betrachtete Sénéchal, der mit gesenktem Kopf seine Notizen durchging. Vor ihm lagen diverse Papiere sowie ein Gegenstand in einer durchsichtigen Plastikhülle, daneben standen zwei leere Kaffeetassen. Vanniers Blick glitt nun zu dem Schwarzen mit den blond gefärbten Haaren, der, die Arme vor der Brust verschränkt, mit geistesabwesender Miene dem Umweltinspektor gegenübersaß.
    Schließlich trat der Dienststellenleiter in den Verhörraum, in dem es trotz der frühen Stunde schon heiß und stickig war. Sénéchal hob den Blick nicht von seinem Notizblock.
    »Willkommen, Monsieur Vannier, willkommen in Ihren Diensträumen. Setzen Sie sich. Gewiss brennen Sie darauf, von den Heldentaten des hier anwesenden Monsieur Faustin Bienaimé zu hören, der die Freundlichkeit besaß, mich zu seinem Biografen zu ernennen.«
    Behutsam legte Sénéchal den Stift auf den Metalltisch und blätterte erneut in seinen Notizen.
    »Vor einiger Zeit gehörte dieser Junge in Haiti einer munteren Bande an, die man auch als Miliz ohne Glauben und Moral bezeichnen könnte. Man nannte sich ›Chimären-Streitkräfte von Haiti‹ und hatte diese mythologischen Wesen als Emblem gewählt. Die Mission der Chimären bestand darin, die Bevölkerung zu terrorisieren und die politischen Gegner von Exdiktator Jean-Bertrand Aristide mit Knarre oder Machete einzuschüchtern ... Zumindest bis dieser die Flucht in ihm wohlgefälligere Gefilde angetreten hatte. Wie Sie mit Sicherheit wissen, Monsieur Vannier, wird auf Haiti Kreolisch gesprochen, aber nicht dasselbe wie hier, und die Insel gilt auf der ganzen Welt als das Mekka des Voodoo.«
    Sénéchal hob die Augen zu dem blondierten Mann, der ihn mit seinem Statuenblick fixierte.
    »Monsieur Bienaimé, Sie haben bestätigt, dass Ihr Vater dort Voodoo-Priester war, ein ...«, er warf einen raschen Blick auf seine Notizen, »... ein für seine Kunst berühmter Houngan, der sich in

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