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reinigen, man muss es bewahren. Das ist eines der größten Probleme.«
»Kurz, einer Ihrer Leute ist auf die britische Publikation aufmerksam geworden.«
»So ist es. Und begeisterte sich für diese Entdeckung, die eigentlich nur für Biologen von Interesse ist. Oder für Zoologen. Er erzählte mir davon, und ich ermutigte ihn, das Thema zu vertiefen. Wir haben uns mehrere dieser Käfer besorgt und mithilfe eines jungen Entomologen, der sich bestens mit den Stenocara auskennt, weitergeforscht.«
»Und?«
»Ein Wunder geschah ...«
Sénéchal sah sogleich seine Theorie vom der Mystik verfallenen Gelehrten bestätigt.
»Ein Wunder?! Passiert ja heutzutage nur noch sehr selten!«
»Warten Sie ab ... Der Entomologe entdeckte, dass der Panzer des Stenocara sich von denen aller anderen Insekten unterscheidet. Er ist mit winzigen Buckeln von einem halben Millimeter Durchmesser überzogen. Durch ein Elektronenmikroskop sieht man, dass diese Ausbuchtungen eine große Komplexität aufweisen.«
»Das heißt?«
»Es sind abgeflachte Kuppeln von rund zehn Mikrometer Durchmesser. Sie sind oben glatt, während ihre abschüssigen Rundungen mit einer sehr feinen, wachsähnlichen Struktur überzogen sind. Eine regelrechte Rutschbahn für jede Art von Tröpfchen ... Sie sind nicht beliebig auf dem Panzer angeordnet, sondern in Form eines Hexagons. Kurz, das Rätsel um den Stenocara war endlich gelüftet. Das Geheimnis seines Überlebens in der Trockenheit der Wüste. Der Käfer sammelt das Wasser aus dem dichten Dunst, der frühmorgens über der Wüste liegt ...«
»Und wie stellt das Tierchen es an?«
»Es neigt seinen Rücken dem Wind entgegen und wartet, dass sich Wassertropfen auf seinen ausgebreiteten Flügeldecken sammeln. Ein winziges Tröpfchen Feuchtigkeit bleibt an einer der Erhebungen auf seinen Flügeln hängen, wächst nach und nach, bis es groß genug ist, um sich zu lösen. Zunächst gleitet es über die gewachste Oberfläche, dann rinnt es gemeinsam mit all den anderen ›eingefangenen‹ Tropfen zur Mundöffnung des Insekts. In diesem Stadium sind die Tropfen groß genug, um nicht zu verdunsten, bevor sie getrunken werden.«
»Dieses Tierchen besitzt also eine mobile Falle auf dem Rücken?«
»So ist es. Ein ausgeklügelter und zugleich auch sehr simpler Mechanismus. Die Natur hat also vor Jahrmillionen eine winzige Kreatur erschaffen, die Wasser aus der sie umgebenden Luft gewinnt, und zwar mit ganz erstaunlichen Resultaten!«
Rhaddiaunir blickte Sénéchal strahlend an. Offensichtlich hoffte er, ihn mit seinem wissenschaftlichen Enthusiasmus anstecken zu können.
»Doch das wirklich Außergewöhnliche daran ist, dass der Stenocara-Käfer dafür keinerlei Energie aufwenden muss. Merkwürdig ist allerdings, Monsieur Sénéchal, dass dieser Mechanismus, durch den das Wasser der Luft entzogen wird und in dicken Tropfen kondensiert, erst jetzt entdeckt wurde.«
»Durch Kondensation! Na so was, ... ganz einfach!«
»Ich habe Akira sofort davon erzählt. Er hat nachgedacht und mir vorgeschlagen, dieses Verfahren mit preisgünstigen Materialien nachzuahmen. In seiner Fantasie baute er bereits Häuser, deren Außenwände mit einer dem Stenocara-Panzer nachempfundenen Beschichtung versehen waren. Bioarchitektur, wenn man so will. Dann haben wir einen einfachen Prototyp entwickelt: Wir haben, einer ganz bestimmten Anordnung folgend, winzige, zum Teil mit Wachs bedeckte Glaskügelchen zwischen zwei Mikroskopplättchen eingeschlossen. Das funktionierte insoweit, als Wasser aus der sie umgebenden Luft gewonnen werden konnte, doch der Ertrag war nur gering ...«
»Haben Sie einen dieser Prototypen an Ihren Freund Mahakam weitergegeben?«, wollte Sénéchal wissen.
Der Indonesier runzelte irritiert die Stirn. Er war es einfach nicht gewohnt, mitten im Vortrag unterbrochen zu werden.
»Ja, aber er hat ihn verloren, glaube ich.«
Rhaddiaunir zuckte resigniert mit den Achseln.
»Sein Gedächtnis war leider gegen Ende ...«
»Warum besaß Monsieur Mahakam einen dieser Käfer?«
»Ich hatte einige dieser Insekten, die das Experiment nicht überlebt hatten, in Plastikharz gießen lassen. Den schönsten machte ich Shafik zum Geschenk, und einen habe ich behalten. Als Erinnerung an dieses denkwürdige wissenschaftliche Abenteuer.«
»Monsieur Mahakam war also in alles eingeweiht?«
»Ja. Wir haben später noch andere Verfahren entwickelt, deren Details ich Ihnen erspare. Schließlich sind wir dazu übergegangen,
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