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H2O

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Titel: H2O Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patric Nottret
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schenken Sie die Maschine?«
    »Den Bauern in der Dritten Welt. Die Takenushi Foundation verteilt sie an Dorfgemeinschaften in Afrika, Asien und anderswo ... An die Menschen, die vom sogenannten Wachstum vergessen werden.«
    »Eine Art Mäzenatentum?«
    »Monsieur Sénéchal, ich habe Luxusflugzeuge für Milliardäre wie mich gebaut. Man kann nicht immer nur nehmen, man muss auch etwas zurückgeben, finden Sie nicht?«
    Er wies mit dem Finger auf einen glänzenden Punkt, ein Wassertröpfchen, das dicht neben ihm an einem Ahornblatt hing.
    »Betrachten Sie diesen Wassertropfen, Monsieur Sénéchal ... Die Träne einer Wolke, eine Notration, ein reiner Diamant. In einem Wassertropfen sieht man die Welt wie in einer Kristallkugel ... Der Tau, den Sie dort sehen, ist das Gold des frühen Morgens. Haben Sie übrigens die besondere Form meines Teichs vor dem Pavillon bemerkt? Es ist die Form eines Schriftzeichens, das bei uns ›Wasser‹ bedeutet. Wussten Sie, dass das Süßwasser und die Wälder eng miteinander verbunden sind? Der größte Teil des Regens, der in den Tropen fällt, entstammt nicht der Verdunstung von Meerwasser, wie häufig angenommen wird, sondern der der Transpiration der Bäume, wobei diese Feuchtigkeit rekondensiert wird. Der Wasserkreislauf. So kommt der größte Teil der Niederschläge über dem bewaldeten Kongobecken aus der Rekondensation durch die Bäume. Und trotzdem werden jedes Jahr hunderttausend Quadratkilometer Amazonaswald - das entspricht der Fläche Österreichs - durch Abholzung von der Weltkarte entfernt. 2010 wird Birma alle seine Wälder zerstört haben ... In etwas mehr als fünfzig Jahren wird der Mensch weltweit ein Drittel der Wälder vernichtet haben, so einfach ist das. Also, was ist besser? Sich ein wenig mit der Genetik vergnügen, um kleine, ungefährliche Leuchtfische zu produzieren, oder die gemeinsamen Ressourcen der Menschheit zerstören?«
    Diese Rede schien Takenushi erschöpft zu haben. Er musterte Sénéchal nicht ohne Wohlwollen. Langsam nahm er eine lackierte Rolle vom Tisch vor sich und reichte sie ihm mit einer eleganten Bewegung.
    »Darf ich Sie, bevor Sie gehen, bitten, dieses äußerst bescheidene Geschenk eines alten Mannes anzunehmen?«
    Der Umweltinspektor machte eine abwehrende Handbewegung.
    »Monsieur Takenushi ... Ich glaube nicht, dass ich es verdiene ... Geschenke bedeuten häufig eine Verpflichtung gegenüber dem Empfänger, glauben Sie nicht?«
    Der Alte lächelte kaum merklich.
    »Verzeihen Sie mir, wenn ich so plump darauf bestehe, aber ich erwarte keine Gegenleistung für dieses Geschenk und keinerlei Gunst Ihrerseits. Erweisen Sie mir die Ehre, mir zu glauben. Es ist nur eine Kleinigkeit, und ich wäre schrecklich enttäuscht, wenn Sie sie nicht annehmen würden.«
    Widerwillig streckte Sénéchal die Hand aus. Takenushi nickte.
    »Adieu, Monsieur Sénéchal, wir werden uns wohl nicht Wiedersehen. Zumindest nicht in dieser Welt. Es war mir wirklich ein großes Vergnügen, mit Ihnen spazieren zu gehen. Vergessen Sie nie, dass sich der Reichtum eines menschlichen Lebens an der Intensität der Gefühle bemisst, die man empfunden hat.«
    Der Japaner schloss die Augen, holte tief Luft, und nach einer kleinen Handbewegung, die sich als Abschiedsgeste deuten ließ, entschlummerte er friedlich wie ein einfacher alter Mann. Verblüfft fragte sich Sénéchal, wie er in dieser Position schlafen konnte. Einen Augenblick lang betrachtete er ihn noch in seinem totenähnlichen Schlaf.
    Dann steckte er die Lackrolle in seine Tasche und zog seine Schuhe wieder an. Schließlich drehte er sich langsam um und ging. Die Tür schloss sich hinter ihm wie das Tor zu einer Gruft.
 
    Auf dem Rücksitz der Limousine, die ihn zum Flughafen zurückbrachte, öffnete Sénéchal vorsichtig die Rolle. Er zog ein Pergament heraus, das durch ein Transparentpapier geschützt war: der kolorierte Stich eines Quastenflossers, umgeben von Blüten und verschlungenen Zweigen. Jede Schuppe des Tieres war naturgetreu dargestellt. Der Fisch schien Sénéchal einen amüsierten Blick zuzuwerfen. Es war eine sehr feine Arbeit mit äußerst lebendig wirkenden Farben; die eleganten Linien zeugten von der außerordentlichen Meisterschaft des Künstlers.
    In zwei Ecken des Pergaments waren mit roter Farbe mehrere Ideogramme gezeichnet. Sénéchal drehte das Pergament um. Auf der Rückseite las er in Englisch: »Privatsammlung Akira Takenushi«.

44
 
 
 
    Edouardo sagte:
    »Hören Sie mir

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