H2O
vom Pfosten entfernt. Da sind Spuren. Verblasst, verwischt, aber doch erkennbar.
Edouardo öffnet das Fenster. Er erblickt einen größeren, aber kaum wahrnehmbaren Fleck auf dem Rahmen unter dem Fensterkreuz. Ein bisschen Blut. Das war nicht Sénéchal, er hätte es ihm gesagt ... Aha, auf dem Fußboden sind Schleifspuren. Vier Spuren in den gleichen Abständen. Hm, Holz auf Holz. Ein Stuhl, ein Hocker?
Er betrachtet die mit einem Vorhängeschloss gesicherten Fensterläden und öffnet sie ohne Mühe. Kette und Schloss fallen draußen klirrend zu Boden. Sonderbar ... Sénéchal hat mir versichert, dass sie verschlossen waren. Und die Gitterstäbe vor dem Fenster sind ins Mauerwerk eingelassen, sie ... Was ist das für ein Mauerdurchlass?
Edouardo stellt seinen Generator für das indigoblaue Licht auf den Schreibtisch und stürmt aus dem Zimmer.
Noch immer in ihrem Morgenrock, eine Zigarette nach der anderen rauchend, beobachtet die Witwe Mahakam vom Garten aus durch das Bürofenster den kleinen Franzosen mit seinen Latexhandschuhen. Gerade faltet er sorgfältig den Schonbezug vom Bürosessel ihres Mannes zusammen und verpackt ihn in einer durchsichtigen Plastikhülle.
Dann kommt er zu ihr heraus, untersucht den Mauerputz, packt die Gitterstäbe des Fensters, hängt sie mit einer gezielten Bewegung aus, legt sie vor sich auf den Boden und setzt sie dann wieder in die Mauer ein. Anschließend nickt er anerkennend und wendet sich ihr mit triumphierender Miene zu.
»Gute Arbeit. Die Gitterstäbe wurden aus der Mauer gelöst. Um sie zu entfernen, muss man sie lediglich aus ihrer Verankerung in der Wand ziehen. Fassen wir zusammen: Ich komme nachts aus der Gartenhütte, ziehe die Gitterstäbe ab, schlüpfe lautlos durch das Fenster hinein, drinnen steht ein Hocker, ich bringe die Stäbe hinter mir wieder in der Mauer an, schließe die Läden und fertig! Niemand hat mich gesehen, niemand hat etwas gemerkt! Aber wer war es, Madame Mahakam?«
Sie fixiert ihn mit ihren geröteten Augen, zieht heftig an der Zigarette, bläst eine Rauchwolke aus und antwortet schließlich:
»Monsieur Rhaddiaunir. Der Freund meines Mannes. Er hat sich hier versteckt. Nach Shafiks Tod. Er hatte Angst. Lang und ich haben ihm geholfen. Er blieb tagsüber in der Hütte und kam nachts zum Essen zu uns. Geschlafen hat er oben in Längs Zimmer. Dank des Zauns um das Haus konnte man von außen nicht sehen, wie er kam und ging.«
»Was machte er in der Hütte?«
»Er benutzte den alten Empfänger von Lang. Er hatte Angst. Dann ist er verschwunden.«
»Mit wem kommunizierte er über Funk?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Wissen Sie, wovor er Angst hatte, Madame Mahakam?«
43
Während Sénéchals kurzem Spaziergang hatte sich die Anlage belebt. Als er zum Ausgangspunkt zurückkehrte, waren die kleinen Golfwagen verschwunden, und Gärtner machten sich mit ihrem Werkzeug an den Pflanzen zu schaffen. Einer der Leibwächter kam auf ihn zu, ein untersetzter, kurzbeiniger Mann. Seine Brustmuskeln sahen aus, als würden sie jeden Moment die geschlossene Jacke sprengen. Er baute sich vor Sénéchal auf, beugte sich rasch vor und sagte, als spräche er mit der Hemdtasche des Detektivs:
»Würden Sie mir bitte folgen, Monsieur?«
Er drehte sich auf dem Absatz um und marschierte, ohne zu warten, los. Sénéchal ging ihm nach. Sie kamen zu einem Rasen, dessen Grün fast surreal wirkte. Er erstreckte sich über einen flachen Hügel, der oben mit Riesenbambus bewachsen war. Hinter den Stauden verbarg sich ein eigenartig geformter Teich, dessen Ufer teilweise von Farnen und niedrigen Gewächsen gesäumt war. Die silbrigen Blätter einer Weide hingen auf das Wasser herab, das an manchen Stellen mit blühenden Seerosen bedeckt war. Sénéchal blieb stehen, um den Teich zu betrachten.
Er wollte gerade seinen Weg fortsetzen, als eine Bewegung im Wasser seine Aufmerksamkeit erregte. Er blickte genauer hin und sah ein Dutzend leuchtender Punkte vorbeiflitzen. Dann war das Phänomen wieder verschwunden. Neugierig wartete er. Wieder tauchten die funkelnden Punkte auf, diesmal waren sie langsamer. Zwei von ihnen schwammen auf ihn zu - ein Paar gestreifte Fische, nur wenige Zentimeter groß, in unglaublich leuchtenden Farben. Sie waren fast durchsichtig, und Sénéchal konnte ihre winzigen inneren Organe erkennen. Mit ihren Schwimmflossen paddelnd, bewegten sie sich gemächlich auf der Stelle, bis andere, haargenau gleich aussehende Leuchtfische
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