H2O
umzäunten Hühnerstall, tritt ein und schließt die Tür hinter sich. Er Zieht eine Stablampe aus der Tasche, beugt sich vor und leuchtet in den Verschlag aus groben Brettern, in dem die Hühner auf der Stange schlafen. Sein Eindringen löst aufgeregtes Gegackeraus, die Tiere fliegen auf, flattern wirr um ihn herum und stürzen sich mit dem Kopf voran gegen den Maschendraht, sodass Wolken von Federn durch die Luft wirbeln. Der Mann wartet, bis nach und nach wieder Ruhe einkehrt, und kriecht dann gebückt in den Verschlag. Der beißende Geruch von Exkrementen steigt ihm in die Nase. Der Schein seiner Lampe gleitet über mehrere Nester. Er entdeckt zwei Zerbrochene Eier, ergreift sie mit spitzen Fingern und wirft sie hinaus. Er nimmt ein drittes, frisch gelegtes, schlägt es an der Holzlatte auf, legt den Kopf zurück und schlürft es gierig aus.
Schließlich richtet er seine Stablampe auf einen kleinen, mit engmaschigem Draht bespannten Käfig, der wie ein Vogelbauer unter der Decke hängt. Er mustert den Inhalt. Der Anblick des Getiers, das sich darin tummelt, scheint ihn mit höchster Befriedigung zu erfüllen.
47
Die Machete durchtrennt das Zuckerrohr.
Madame Hoareau hebt das Werkzeug erneut und schneidet zwei weitere Halme dicht über dem Boden ab, wobei ein wenig Saft austritt. Dann nimmt sie ihren Strohhut ab und betrachtet prüfend den Himmel über der Insel. Vom Meer ziehen dichte Wolken heran. Sie wischt sich das Gesicht mit dem Handrücken ab und setzt ihre Arbeit fort. Kein Lüftchen regt sich in der glühenden Hitze. Insekten surren durch das Zuckerrohr. Ihre Hände sind klebrig vom Saft, und der hartnäckige Geschmack hält sich auf ihren Lippen.
Sie dringt weiter vor und erntet alles, was reif ist, bricht hier einen trockenen Zweig ab, kneift dort unnütze Sprosse aus und wirft sie auf den Boden. Das Klack! ihrer präzisen Schnitte wird regelmäßiger. Sie bückt sich, richtet sich wieder auf, schneidet einen Halm, bückt sich erneut, um ihn aufzuheben, und bahnt sich einen Weg durch die biegsamen Pflanzen, macht noch einen Schritt vorwärts und stößt mit dem Kopf an einen Gegenstand. Sie fährt hoch und weicht erschrocken zurück. Die Vogelscheuche in der gelben Ö ljacke steht ihr herausfordernd gegenüber, das einfältige Lächeln auf dem Gesicht, die aufgemalten Augen im Schatten der Strohhutkrempe verborgen. Die füllige Frau runzelt die Stirn. Die Strohpuppe hätte nicht hier, mitten im Feld, stehen dürfen. Sie hat sie am Rand ihrer Zuckerrohrpflanzung aufgestellt, damit die Vögel sie aus der Ferne sehen können. Genau wie letztes Jahr. Mit festem Griff packt sie den Ärmel der Öljacke und dreht sie auf ihrem Stecken herum. Dann grummelt sie:
»Wer hat mir die denn hierhergebracht?«
Die Puppe ist fest in den Boden gerammt. Tiefer, als sie selbst es hätte bewerkstelligen können. Sonderbar ... Irgendjemand hat ihre Vogelscheuche entfernt und ein Stück weiter wieder aufgestellt.
Zornesröte steigt ihr ins Gesicht. Jemand ist auf ihrem Feld gewesen. Aber wann? Und wer? Ein Nachbar, der ihr einen Streich spielen wollte? Kinder? Es gibt keine Spuren am Boden, die Erde ist zu trocken ... Sollte das ...?
Sie bemerkt, dass die Vogelscheuche etwas um den Hals trägt. Ganz vorsichtig nähert sie sich dem Gegenstand, so als könne er ihr jeden Augenblick ins Gesicht springen ... Es handelt sich um ein kleines Knochenstück, das an einer Schnur befestigt ist. Der Knochen eines kleinen Tieres ... halbkreisförmig mit einem Loch in der Mitte. Die üppige Frau nimmt ihren Strohhut ab und fächelt sich langsam Luft zu. Sie ist plötzlich verstört. Das ist Magie, Hexerei. Hat jemand sie mit einem Fluch belegt?
Sie sucht nach anderen Zeichen an der Vogelscheuche. Ihr dümmliches Lächeln ist unverändert, so wie sie es ihr aufs Gesicht gemalt hat. Doch es wirkt jetzt beunruhigend ... Anders, irgendwie bedrohlich. Als hätte die Puppe die Person gesehen, die ihr den Knochen um den Hals gelegt hat - nein, als würde sie sie kennen. Als wäre sie ein Geheimnisträger ...
Und da, auf der Öljacke, die beiden dunklen Flecken ... Blut?
Urplötzlich packt sie Entsetzen, dann die nackte Wut. Schniefend tritt sie einen Schritt zurück. Dann beißt sie die Zähne zusammen, hebt die Machete und lässt sie mit aller Kraft auf die Vogelscheuche niedersausen, sodass der Hut zerteilt wird, der Leinenkopf platzt und eine Wolke schwarzer Federn in die Luft stiebt.
»Und jetzt auch noch schwarze
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