H2O
Spitzhacken und blaue Plastikplanen. Unter den Bäumen steht eine von zwei Böcken getragene Platte, auf der verschiedene Gegenstände aufgereiht sind.
Drei Männer in Shorts mit schweißglänzenden Oberkörpern und vor Anstrengung verzerrten Gesichtern ziehen langsam mit Ketten etwas aus dem Wasser. Von seinem Standort aus kann Edouardo nichts sehen. Er umrundet die Platte und erkennt unter den rostigen Objekten, die man aus dem Tümpel geholt hat, einen braunschwarzen Revolver. Als er sich dem Tümpel auf seinen unpraktischen Schuhen nähert, erkennt er, was die Männer mit dem nackten Oberkörper da aus dem Wasser ziehen: ein Geländemotorrad, von dem der Schlamm trieft.
Ein kräftiger Ruck, ein Klumpen Schlick fällt ab und enthüllt, was mit einem Strick an den Rahmen gebunden ist. Rufe werden laut. Edouardo sieht einen menschlichen Rumpf, an dem ein einzelner Arm baumelt. Die Hand fehlt.
Der Verwesungsgeruch ist jetzt noch durchdringender geworden. Die Männer mit Helmen und Stiefeln durchsuchen mit ihren Metallstöcken systematisch den Schlamm, jeder eine kleine Parzelle genau vor seinen Füßen. Für eine Weile hört man unter dem reglosen Blattwerk der Kokospalmen nur das Surren der Moskitos und das Schmatzen der Metallstäbe, die Zentimeter für Zentimeter in den Schlick eindringen. Plötzlich stößt einer der Männer einen Schrei aus und beugt sich vor. Er tastet mit seinen behandschuhten Händen im Wasser herum und zieht schließlich mühsam eine schwarze, klebrige Kugel heraus, die er über seinen Kopf hebt und in hohem Bogen ans Ufer wirft.
Sie landet direkt vor Edouardos Füßen. Der kleine Schnauzbärtige erkennt einen Motorradhelm. Das Visier ist von einer fettigen Schicht überzogen. Edouardo hockt sich hin und hebt es behutsam mit dem Zeigefinger hoch. Eine dunkle Brühe quillt heraus, dann starren ihn zwei leere Augenhöhlen an.
Edouardo Magnifico ist so verdattert, dass er fast das Gleichgewicht verloren hätte. Die Männer, die im Wasser stehen, brechen in schallendes Gelächter aus.
60
Oberleutnant Sankaran fährt vorsichtig über die holprige Piste. Langsam steuert er an einem verbeulten Schild vorbei, das vor Schlaglöchern warnt. Er musste einen schmalen Feldweg nehmen, da die Hauptstraße gesperrt war: Zwei vor Schildern postierte Arbeiter haben sie umgeleitet. Von Zeit zu Zeit wirft er einen Blick auf Edouardos Schuhe, aus denen langsam das Brackwasser auf die Fußmatte des Geländewagens quillt. Wie bedauerlich, dass er nicht die Decke aus dem Kofferraum auf den Sitz des kleinen Franzosen gelegt hat, dessen Hose mit Schlamm bespritzt ist.
Er drückt zweimal einen Knopf im Armaturenbrett, um die Klimaanlage auf Touren zu bringen. Hinter ihm spricht Thamnir auf Englisch mit dem schnauzbärtigen Ermittler.
»Der Arbeiter hat gesehen, dass die Motorradspuren an dem Tümpel endeten. Rundherum gab es jede Menge Fußabdrücke. Offenbar ein Kampf. Seiner Meinung nach waren es zwei Männer. Der eine muss sehr schwer gewesen sein und hatte große Füße. Der Arbeiter ist den Fußstapfen in den Wald gefolgt, aber schon bald wurde das Gelände trocken, sodass er nichts mehr erkennen konnte. Er glaubt, der Mann ist nicht gerannt, sondern normal gelaufen.«
»Und?«
Hinter ihnen hupt ein Fahrzeug. Ein mit Holzstämmen beladener Lastwagen gibt ihnen Lichtzeichen. Der Geländewagen hält am Wegrand, und der Laster überholt ihn mit aufheulendem Motor. Er hat riesige Baumstämme geladen, die bei jedem Stoß vibrieren. Der Laster verschwindet vor ihnen in einer riesigen roten Staubwolke.
Der Geländewagen fährt langsam wieder an.
»Was meinen Sie dazu?«, erkundigt sich Thamnir.
»Das erfordert Kaltblütigkeit. Da war ein Profi am Werk. Aber warum hat der Mann mit den großen Füßen nicht das Motorrad behalten?«
Thamnir überlegt einen Moment.
»Weil er die Leiche damit beschweren musste, um zu verhindern, dass sie entdeckt wird. Weil ein Auto auf ihn wartete. Vielleicht.«
Edouardo ist nicht zufrieden. Er will den Gedanken aussprechen, der ihn beschäftigt, seit sie das abgebrannte Haus verlassen haben. Er räuspert sich und erklärt schließlich in einem Ton, der bestimmt klingen soll:
»Hauptmann Thamnir, ich muss Ihnen etwas zu der Art sagen, wie Ihre Leute mit Beweisstücken umgehen, zum Beispiel mit dem Motorradhelm, in dem sich ein menschlicher Kopf befand.«
Edouardo wendet sich zu dem Hauptmann, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen.
»Und ich wüsste
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