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H2O

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Titel: H2O Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patric Nottret
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diskrete Gift besteht aus verschiedenen Stoffen, die nur gemeinsam wirksam sind. Ich zähle dir die wichtigsten Bestandteile auf, zumindest die, die analysiert werden konnten: zunächst zermahlene menschliche Knochen.«
    »Erinnert ein bisschen an einen alten Vampirfilm, findest du nicht?«
    »Vielleicht. Aber daher stammen die Ptomaine. Dazu etwas Krötenhaut.«
    »Wie bei einem Hexentrank?«
    »Genau. Die halluzinogenen Eigenschaften des in der Krötenhaut enthaltenen Gifts sind seit Langem bekannt und gehörten zum klassischen Instrumentarium der mittelalterlichen Magie in Europa.«
    »Und weiter?«
    »Diverse pflanzliche Extrakte, vor allem die Mucuna-Bohne, eine Liane mit weißen Rispen, die denen der Glyzinie ähneln. Die Blätter und Früchte enthalten ein Molekül namens L.-Dopa, das niedrig dosiert in gewissen Verbindungen zur Behandlung der Parkinsonkrankheit eingesetzt wird. Vor allem aber findet man in den Mucuna-Samen stark halluzinogene Stoffe. Weiterhin gibt es in diesem Cocktail Datura und ihr Scopolamin, die Wahrheitsdroge. Eine Variante dieser Art, die Datura stramonium, wird auf Haiti als ›Zombie-Gurke‹ bezeichnet. Abgerundet wird die Mischung mit etwas Gift vom Kugelfisch und ein wenig Albizziarinde. Anschließend werden Kleidungsstücke und das Innere der Schuhe damit bestäubt. Vor allem muss das Opfer viel schwitzen, damit die Substanz über die Haut in die Blutgefäße dringt. Nach einer gewissen Zeit der Behandlung - wie lange sie dauert, hängt wohl von der Dosis ab - ist der Betroffene scheintot.«
    »Und was passiert dann mit ihm?«
    »Dann erlebt er die Freuden der Letzten Ölung, gefolgt von denen der Wiederauferstehung.«
    »Das erinnert mich an etwas ...«
    »Ziel der Magier ist es, aus ihren Opfern Sklaven zu machen, kurz, ihren Willen zu brechen. Die ›zombifizierte‹ Person wird als tot angesehen und beerdigt. Nachts kommen dann der Magier und seine Helfer, um sie auszugraben und ihr ein Gegengift einzuflößen - das unter anderem Datura enthält, aber in anderer Konzentration -, sodass das Opfer einen Teil seiner Fähigkeiten wiedererlangt. Der andere Teil ist meist stark beeinträchtigt, daher rühren auch die mechanischen Bewegungen, die man aus Zombiefilmen kennt.«
    »Und was machen sie dann mit den armen Teufeln?«
    »Sie bringen sie zu einer weit entfernten Plantage, wo sie als Sklaven arbeiten müssen. Die Betroffenen erinnern sich zumeist an nichts, das ist eine der Wirkungen dieser Mixtur. Diese Art von ›Totenerweckung‹ ist übrigens auch aus Brasilien und Benin bekannt.«
    »Und so hat man auch den bemitleidenswerten Delegierten des UNEP vergiftet - oder regelmäßig unter Drogen gesetzt. Die Art der Verabreichung ist nicht eben einfach, was?«
    »Ganz im Gegenteil ... Etwas Gift in Mahakams Schuhe, ein bisschen auf den Bezug seines Schreibtischstuhls - wenn man weiß, dass er oft mit nacktem Oberkörper arbeitet. Vielleicht auch eine Prise auf das Hemd oder den Sarong? Keine Ahnung. Auf alle Fälle ist die Substanz sehr schwer nachzuweisen - anders als Zyanid und Strychnin. Als Chemiker empfinde ich größte Hochachtung vor dem Wissen dieser Magier.«
    »Man wollte also diesen ehrenwerten Beamten in einen Zombie verwandeln?«
    »Darüber habe ich lange nachgedacht. Die Verabreichung dieses Gifts zieht andere Störungen bei der behandelten Person nach sich - so zumindest die Aussage von Clairvius Narcisse, einem der wenigen Opfer, das bei halbwegs klarem Verstand von den lebenden Toten zurückgekehrt ist und von Wade Davis befragt werden konnte.«
    »Was für Störungen?«
    »Ein sehr merkwürdiges mentales Leiden: der Verlust jeglicher Orientierung, die Vermischung von Traum und Realität, visuelle und auditive Halluzinationen, Gedächtnisverlust, grauenvolle Albträume. Kein Wissen, keine Erinnerung mehr ... Tag für Tag und Nacht für Nacht. Vielleicht war das das Los, das man Mahakam zugedacht hatte. Man wollte ihn leiden lassen. Aber warum?«

68
 
 
 
    Edouardo wirkte belustigt.
    »Monsieur Sénéchal, ich wäre bei dem Unternehmen fast draufgegangen. Na ja, wenigstens wird es mit Ihnen nie langweilig. Diese Ermittlungen sind sehr erfrischend. Thamnir hat mich gebeten, mit niemandem über diesen ... Unfall zu sprechen. Das hat er noch einmal betont, als wir die beiden falschen Arbeiter geschnappt haben. Die Jungs waren bloße Befehlsempfänger, die man für diese Angelegenheit angeheuert hatte: Sie waren nicht einmal bewaffnet. Unsere Freunde, die

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