H2O
aus dem Gebüsch. Thamnir erkennt Edouardo, der in jeder Hand eine Waffe hält. Aus seiner Richtung kommt ein schriller Klingelton, der plötzlich verstummt. Er ruft jemandem, den der Hauptmann nicht sieht, etwas in seiner Sprache zu. Ein Schuss, dann ein zweiter. Der Franzose lässt eine seiner Waffen fallen und hüpft wie ein Hase ins Unterholz.
Die Pistole vor sich ausgestreckt, springt Thamnir mit einem Satz aus seinem Versteck und rennt mit geducktem Kopf zu ihm.
Höckernase zielt noch einmal, diesmal in Edouardos Richtung, senkt seine Waffe und hebt sie erneut, als er einen zweiten Mann auftauchen sieht. Er feuert auf ihn, bis sein Magazin leer ist, doch sein Ziel ist schon in den Büschen verschwunden. Höckernase flucht und drückt noch einmal auf den Abzug. Der Hahn klickt zweimal ins Leere. Fassungslos betrachtet er seine Waffe und kramt dann hastig in seinem abgenutzten Ledergürtel. Er hält mehrere Kugeln in der geöffneten Hand. Er will seine Waffe neu laden, doch seine Hände zittern, und die Patronen fallen ihm nacheinander vor die Füße. Er sieht die Blutstropfen nicht, die aus seiner Brust quellen und sein schwarzes Hemd benetzen.
In Panik wirft er den Revolver weg, rennt, so schnell er kann, davon und überlässt Ziegenbart seinem Schicksal.
Dem ist das Grinsen vergangen: Die schlanke Gestalt des Hauptmanns taucht aus den Büschen auf. Ziegenbart stößt einen Wahnsinnsschrei aus, stampft mit den Fersen auf den Boden und stürmt dann brüllend, die Hand mit dem Messer ausgestreckt, in der anderen den Knüppel schwingend, auf den Hauptmann zu. Wie bei einer Schießübung packt Thamnir seine Waffe mit beiden Händen, macht eine Dreivierteldrehung mit den Schultern und kneift die Augen zusammen, um so gut wie möglich auf die Beine der verschwommenen Gestalt zu zielen, die ihn angreift. Dann drückt er ab. Das Geschoss stoppt den Lauf des Mannes, sein Knüppel wirbelt durch die Luft, dann bricht er zwei Meter vor dem Hauptmann zusammen.
Das Echo des Schusses verhallt. Plötzlich bäumt sich der Körper des Bärtigen auf und rollt auf den Rücken. Er hat sich das Messer tief ins Auge gestoßen. Den Griff hält er immer noch umklammert.
Oberleutnant Sankaran hat sich nicht von seinem Beobachtungsposten gerührt, von wo aus er einen ungehinderten Blick auf das Geschehen hat. Während er sich innerlich beglückwünscht, hört er Schritte auf sich zukommen. Mit dem Ärmel wischt er das Blut ab, das seine Augen verklebt, legt die ausgeklappte Stütze der Maschinenpistole an seine Schulter, nähert das Auge dem Visier und schwenkt langsam den Lauf auf das sich nähernde Geräusch zu. Vorsichtig legt er den Finger um den Abzug ... Vielleicht der Franzose? Oder der Hauptmann? Aufgepasst!
Höckernase entdeckt ihn im letzten Augenblick. Er versucht zur Seite zu springen, doch die Salve trifft ihn, sodass er gegen einen Baumstamm prallt. Wenige Meter von seinem Kameraden entfernt, dessen Gesicht nur noch blutiger Brei ist, sinkt er nieder.
Sankaran sieht zweimal hin, ehe er vom Boden des umgedrehten Wagens springt. Mit einer Hand hält er sich an einem Rad fest und setzt behutsam einen Fuß auf den Boden, als wollte er mit dem Zeh die Temperatur eines kalten Gewässers prüfen.
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Der Oberleutnant nimmt einen neuen Kaugummi aus der Stanniolverpackung und schiebt ihn in den Mund. Dann befühlt er die Schnittwunde an seinem Kinn und die aufgeplatzten Augenbrauen, die noch immer bluten ... Nicht weiter schlimm.
Er denkt an die Airbags, die nicht funktioniert haben. Sabotage, so viel ist sicher.
Er beugt sich über die Leiche des Mannes, den er durch die Heckscheibe erschossen hat, packt ohne Umschweife seinen Fuß und betrachtet die Schuhsohle. Er liest die Größe, sagt »perfekt« und knüpft die Schnürsenkel auf.
Edouardo sieht zu, wie er dem erschossenen Indonesier die Schuhe auszieht. Dann holt Sankaran die Beretta des französischen Ermittlers aus seinem Gürtel. Jene Beretta, die er im Handschuhfach hat liegen sehen, dessen Deckel er mit seinem Dolch (fester Bestandteil seiner Kampfausrüstung) aufgebrochen hat. Er fasst sie mit Daumen und Zeigefinger und reicht sie lässig dem Franzosen, als würde er ihm ein geliehenes Werkzeug zurückgeben. Edouardo reibt sich die geröteten Augen, öffnet den Mund, aus dem kein Ton dringt, bis er schließlich ein »Terimah kasi« herausbringt - indonesisch für danke.
»Kem bali«, antwortet Sankaran und versucht zu lächeln. Er bringt nur
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