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Hab ich selbst gemacht

Hab ich selbst gemacht

Titel: Hab ich selbst gemacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Klingner
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nehme ich nur 40 Maschen auf. Genau die richtige Größe für die Becher, auch nach Reihe zwei, vier und sieben. 15 Runden häkle ich insgesamt, Runde acht und neun nicht in cremeweiß wie die restlichen Runden, sondern in einem warmen Grün. Nach gut einer Stunde habe ich meinen Tee getrunken und den ersten Bechermuff produziert. Es kam mir viel länger vor, und mein Enthusiasmus kehrt zurück. So macht Geschenkeproduktion Spaß, im Stundentakt. Ich häkle den zweiten Muff, dann hole ich mir einen weißen Kartonbogen, schneide kleine Schildchen aus, schreibe auf das eine in Schönschrift »Hot Coffee, Cool Fingers«. An dem Titel kann man arbeiten, ich weiß, aber er passt halt. Auf das zweite Schildchen male ich einen Becher, einen Muff und dazwischen einen Pfeil – quasi eine Gebrauchsanweisung, wofür die beste Freundin diesen komischen Wollring benutzen kann und soll. Beide Schildchen befestige ich mit einer Sicherheitsnadel an einer Ecke derübereinandergelegten Muffs und lege dann mein allererstes selbst gemachtes Weihnachtsgeschenk in einen noch leeren Karton.
    Noch 46 Tage bis Weihnachten.

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Tag 326
Geschenkegeschichten
    Die Weihnachtsproduktion läuft auf Hochtouren. Am Wochenende konnte ich zwei Geschenke in meine Geschenkekiste legen: Die Kochschürze für den Schwiegervater habe ich am Samstag und das Platzdeckchenset für die Schwester und ihre Familie am Sonntag genäht. Unter der Woche habe ich an den Abenden vor allem eines gemacht: Ich habe um die 80 Fotos vom Mann und mir – es gibt etwa 2000 solcher Fotos – aus den letzten Jahren ausgesucht, auf denen wir mit Freunden zu sehen sind, vor irgendwelchen Sehenswürdigkeiten stehen oder einfach nur doof in die Kamera grinsen, sie auf weißen Fotokarton geklebt und die Ränder mit der Fotoschere versäubert. Das ging schleppend langsam voran, und an den Abenden, an denen der Mann nicht Fußball spielte oder sich mit Freunden traf, konnte ich gar nicht am Fotoalbum arbeiten. Dann setzte ich mich mit dem Piratenbeutel für meinen Neffen neben ihn aufs Sofa und stickte zum Beispiel mit schwarzer Wolle eine Augenklappe auf das Gesicht des Piraten.
    Ich bin also nicht so richtig schnell vorangekommen, aber mit dem Ergebnis meiner Arbeit zufrieden: Das Platzdeckchenset für die Schwesterfamilie wird allerlei Kleckereien verzeihen und den Esstisch bunter machen. Und die Kochschürze passt gut zum Vater des Mannes: Sie ist aus robustemdunkelgrauen Stoff mit ein paar weißen Punkten am unteren Saum, der Bindegürtel ist extra lang, damit der Vater des Mannes ihn einmal um den Bauch herum und dann vorn zusammenbinden kann. Und an der Seite habe ich wie an meiner Gartenschürze eine Schlaufe eingenäht, in die er ein Küchentuch hängen kann, um sich beim Kochen die Hände abzuwischen. Wie bei den Schürzen der Profis.
    Doch in den letzten Tagen habe ich etwas entdeckt: Das Schönste an der Vorweihnachtszeit in diesem Jahr ist die Gedankenwelle, die mich in der Zeit, in der ich an einem Geschenk sitze, erfasst. Sie trägt mich immer wieder zum Beschenkten hin, zu gemeinsam Erlebtem oder zu Eigenarten des Geschenkeempfängers. Und so verbringe ich, wenn ich einen Samstag an der Schürze für den Vater des Mannes nähe, auch einen Samstag mit ihm. Weil ich ihn vor mir sehe, wie er zu seiner Pensionierung laut verkündet, er lerne jetzt kochen und dann werde er uns ein Festmahl servieren! Ich sitze dann an der Nähmaschine und lache vor mich hin. Denn der Vater des Mannes hat in gleicher Lautstärke und Überzeugung verkündet, er werde jetzt im Gartenhäuschen eine Sauna einbauen, er werde sich einen Hund kaufen und nicht zuletzt habe er vor, ein Buch zu schreiben, er wisse nur noch nicht, worüber. Seine gesamte Familie hat untereinander schon Wetten abgeschlossen, wann es bei alldem so weit sein wird. Und ob überhaupt.
    Bei den Bechermuffs für die beste Freundin ging es mir ähnlich: Ich dachte daran, wie wir gemeinsam über die Auer Dult schlenderten, einen Kunsthandwerks- und Haushaltsmarkt in der Münchner Au. Wir schauten uns nämlich allerlei Porzellanzeug an, denn die beste Freundin suchte eine Butterdose. Sie fand auch eine, vor allem aber fanden wir einen Stand, an dem Weihnachtsplätzchen-Ausstechformen verkauft wurden. Bestimmt eine ganze Stunde verbrachten wir dort und konnten uns einfach nicht entscheiden, welche wir nehmen sollten, so lustige und ungewöhnliche Formen hingen dort in langen Reihen. Am Ende ging sie mit einem kleinen

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