Hab ich selbst gemacht
jedem Zusammenfügen von Nähten, nach jedem Steppen von Abnähern wird gebügelt.
Als ich mir bei einem Täschchen mit Innenfutter mal ernsthaft Mühe gegeben hatte, war es mir aufgefallen: Beim Nähen verbringt man die wenigste Zeit mit Nähen. Zehn Prozent der Zeit geht für das Zuschneiden drauf, zehn Prozent der Zeit näht man, vierzig Prozent der Zeit steckt man Teile zusammen, und vierzig Prozent der Zeit bügelt man.
Deswegen ist es schlau, ein Bügelbrett gleich neben dem Nähtisch stehen zu haben. Und deswegen braucht man, wenn man Schneidern wirklich als ernsthaftes und regelmäßiges Hobby betreibt, ein Nähzimmer. Da kann neben dem Bügelbrett noch ein großes Regal mit den Kisten voller Stoffe stehen, da kann der Nähtisch unaufgeräumt bleiben, und die Nähmaschine muss nicht weggeräumt werden, damit der Computer benutzt werden kann.
Ich nähe am Küchentisch. Das ist Mist. Denn es bedeutet, dass ich immer aufräumen muss. Weswegen ich vielleicht auch nicht so viel nähe, wie ich eigentlich will.
Mit meinen Gardinen bin ich nach einer halben Stunde schon fast fertig, ich schlage noch die letzten Ränder schmal doppelt ein und steppe sie fest, dann habe ich vier Bahnen versäumten Stoff. Das hier ist die ganz billige Nummer, denn für die neuen Gardinen haben wir Gardinenstangen gekauft, an denen Gardinenringe mit Klipsen hängen. Ich muss also noch nicht mal Schlaufen ans obere Ende der Stoffbahn nähen.
Gardinen zu nähen war nicht mein großer Traum, als ich mir die Nähmaschine kaufte. Mit uns beiden – der Nähmaschine und mir – hatte es sehr leidenschaftlich angefangen. Die Vorgeschichte unserer Liebe: Ich hatte der Fake-Barbie, die mir meine große Schwester aus Mitleid geschenkt hatte, weil meine Mutter sich weigerte, mir »eine so blöde Puppe für so viel Geld« zu kaufen, schon eine komplette Garderobe per Hand genäht. Und mit der Hand nähen nervt. Bei Puppensachen ist es noch erträglich. Aber dann fing ich an, auch für mich alte Klamotten zu zerschnippeln und umzunähen. Nähte, für die ich mit der Maschine ein paar Minuten gebraucht hätte, beschäftigten mich ganze Abende.
Die Maschine meiner Mutter durfte ich nicht benutzen, es war eine Profimaschine und meine Mutter da sehr eigen. Damals fand ich das nervig, heute kann ich sie verstehen: An meiner Maschine würde ich andere Menschen auch nicht gern herumstümpern sehen.
Also brauchte ich eine eigene Nähmaschine.
Ich sparte über Monate mein Taschengeld, bis ich zu meinem 13. Geburtstag gemeinsam mit meiner Mutter in ein Quelle-Kaufhaus nach Westberlin fuhr – wo wir bis dahin, anderthalb Jahre nach der Wende, nicht besonders oft gewesen waren. Dort suchten wir gemeinsam eine Haushaltsnähmaschine aus. Die eine Hälfte zahlte ich, die andere Hälfte war mein Geburtstagsgeschenk. Das beste der Welt!
Dabei ist die Maschine nichts Ausgefallenes. Im Gegenteil: Heute haben vermutlich vier von fünf Hobbyschneiderinnen eine dieser Nähmaschinen mit Display, die sich programmieren lassen und die nicht nur nähen, sondern auch sticken können. Meine Nähmaschine kann geradeaus, im Zickzack und Knopflöcher nähen. Sie ist schwer, weil sie aus Metall ist. Und was mir auch heute noch am besten gefällt: Die Programme sind mit Beige, Grün und Orange markiert, was ihr einen schönen Retro-Charme verleiht. Wie gesagt: die beste Nähmaschine der Welt.
Für andere Menschen mag mein Glück über diese Neuanschaffung schwer nachvollziehbar sein – und auch dass ich meine Nähmaschine noch vor meiner ersten Stereoanlage hatte; für mich war der Kassettenrekorder mit Aufnahmefunktion völlig ausreichend.
Die Nähmaschine dagegen war ein Wunderwerk. Sie konnte aus Stoffteilen Kleidung machen, sie konnte Röcke kürzen und Kleider umändern. Ein Großteil meiner Kindergarderobe war selbst genäht und wenn ich meiner Mutter zusah, wie sie sich einen Mantel nähte oder eine Hose, beeindruckte mich das jedes Mal aufs Neue.
Meine Mutter ist ja gelernte Schneiderin, genauer gesagt: Bekleidungsingenieurin, so hieß das im Fachjargon. Heute kommt in der korrekten Berufsbezeichnung vermutlich irgendwas mit »fashion manager« vor. Lange arbeitete sie als Schneiderin, später als Ausbilderin für neue Bekleidungsingenieure. Und ich ging zu Hause bei ihr in die Lehre. Eine harte Schule. Denn sie ließ mich auch mal Nähte wieder auftrennen, wenn sie krumm waren oder die falsche Fadenspannung auf einer Seite des Stoffes hässliche Schlaufen
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