Hab keine Angst, mein Maedchen
handelt es sich?«
»Um einen versuchten Raubüberfall und sexuelle Nötigung mit angedrohter Vergewaltigung.«
Das freundliche Gesicht des Polizisten hob sich, und seine Augen ruhten für einen Augenblick auf meinem. Dann konzentrierte er sich wieder auf den Bildschirm.
Irgendetwas schien er komisch zu finden. Das waren auf dieser Dienststelle anscheinend allesamt ausgesprochene Frohnaturen.
»Ihr Name?«, rückte er endlich mit der ersten Frage heraus.
»Dr. Michelle Meinberg.« Meine Promotion führte ich sonst nie an. Aber hier erschien sie mir angebracht, um mir einen gewissen Respekt zu verschaffen.
»Wo sind Sie überfallen worden?«
»In meinem PKW.«
Wieder traf mich sein rätselhafter Blick.
»Sie waren mit dem Auto unterwegs?«
»Scheint so«, antwortete ich gereizt. Das ganze Theater ging mir mittlerweile gehörig auf die Nerven.
»Hören Sie, nehmen Sie freundlicherweise einfach meine Daten für die Anzeige auf. Ich möchte heute noch nach Hause.«
»Schon gut«, brummelte er. »Immer langsam mit den jungen Pferden. Sie waren also im Auto auf dem Heimweg?«
»Ja, das sagte ich bereits.«
Das alles hier erinnerte mich an eine Krimiszene, in der übertrieben die nordische Langsamkeit dargestellt wird. Dieser Herr Fricke wäre die ideale Besetzung dafür gewesen.
»Als ich an der Ampel halten musste, ist der Kerl eingestiegen und hat mir eine Pistole unter die Nase gehalten«, fügte ich schnell hinzu, um endlich Fahrt in die Protokollaufnahme zu bringen. Anscheinend mit Erfolg. Polizist Fricke sah mich endlich mit angemessener Aufmerksamkeit an.
»Wollte er Ihre Chipkarte für den Geldautomaten?«
»Ja, er wollte Geld abheben und er wollte …«
»Können Sie den Mann beschreiben?«, unterbrach er mich.
»Nicht gut. Er trug eine Gesichtsmaske. Er war drahtig. Mittelgroß. Und er hat sich sehr auffällig verhalten. Meiner Meinung nach eine typische Kokstripentgleisung. Gefährlich. Die Menschen haben haarsträubende Halluzinationen. In der Situation geht ihnen jegliche Empathie verloren, und sie sind zu allem fähig.«
»An welcher Kreuzung war das genau?«
Ich kam ins Strudeln. Mist, welche Kreuzung? Ich hatte mich noch nie bemüht, mir Straßennamen zu merken. Es reichte mir völlig, wenn ich wusste, wie ich von A nach B kam.
»Die zweite Kreuzung vom See aus stadteinwärts.«
Er nickte und hackte mit zwei Fingern hoch konzentriert auf die Tastatur ein.
»Ich hatte meine Mutter in der Laubenkolonie besucht und war in Eile«, fügte ich unnötigerweise hinzu.
Er hörte auf zu tippen und sah mich wieder mit diesem undefinierbaren Lächeln an. Um ehrlich zu sein, ich würde es schlicht als dämlich bezeichnen.
»Ihre Mutter?«, wiederholte er gedehnt, und sein rundes Gesicht nickte dabei unaufhörlich. »Ihr Geburtsdatum ist?«
»Das meiner Mutter?«, fragte ich konsterniert.
»Nein, Ihres.«
»1. Mai 1970.«
»Und Sie sind dann wie alt?«
»Sind wir hier in der Sesamstraße? Rechnen Sie es sich selbst aus.«
»86 Jahre«, antwortete er milde lächelnd.
Ich atmete tief durch.
»Vielen Dank für das Kompliment. Ich kann mir vorstellen, dass ich gerade älter aussehe. Beenden wir hier das Kaspertheater. Dafür habe ich keine Nerven. Ich möchte meinen Mann anrufen. Er wird mich nach Hause fahren.«
Herr Fricke stand auf und schob mir einen Telefonapparat über den Schreibtisch.
»Eine ausgezeichnete Idee. Aber warum wollen Sie Ihren Mann am Abend erschrecken? Haben Sie Kinder?«
»Ja, zwei«, antwortete ich verwirrt.
»Wie wäre es, wenn Sie eines Ihrer Kinder anriefen, anstatt Ihren Mann zu beunruhigen?«
Hatte ich es heute nur mit Psychopathen zu tun? Meine Kinder anrufen? Sollte mich eine Elfjährige oder gar ein Neunjähriger von der Wache holen? Egal. Ich wollte nur weg hier. Ich würde mich auf keine Diskussion mehr einlassen.
Ich tippte unsere Telefonnummer ein. Nach dem vierten Klingelton sprang der Anrufbeantworter an.
»Wir leben im 21. Jahrhundert. Ihr wisst, was ihr nach dem Piepton zu tun habt.«
Das war eindeutig Hans. Gut gelaunt. Was für ein eigenartiger Spruch? Und so distanzlos, als würden wir alle Anrufer duzen. Wann hatte er den Text geändert? So etwas besprechen wir normalerweise. Es ärgerte mich. Ich spürte den aufmerksamen Blick des Beamten auf mich gerichtet und räusperte mich, um auf das Band zu sprechen. Aber ich brachte keinen Ton heraus und legte wortlos wieder auf.
»Ich werde meinen Mann am Handy anrufen«, verkündete ich.
»Gut.
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