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Hab keine Angst, mein Maedchen

Hab keine Angst, mein Maedchen

Titel: Hab keine Angst, mein Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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vollgepumpt. Selbst seine Beerdigung liegt für mich im Dämmerlicht. Ich war dabei. Sie haben mich irgendwie auf den Friedhof geschleift. Es kam mir alles so unwirklich vor, als würde ich nur einen Film sehen.
    Dann habe ich die Medikamente einfach nicht mehr eingenommen. Ich wollte wieder denken können. Mit dem Bewusstsein kamen die Erinnerung und der Schmerz zurück. Auch die Angst, dass Norbert mich einsperren lassen könnte. Deshalb habe ich mich weiter dumm gestellt und bin freiwillig in das nette Haus am See gegangen. Selbstverständlich wollte ich nie für immer dort bleiben. Ich wollte Zeit gewinnen. Nachdenken und eine Lösung finden, wie ich Norberts Verbrechen beweisen könnte. Aber ich habe nicht nachgedacht, es tat einfach zu weh. Erst vorhin hier bei Ihnen, da habe ich Knuts Tod das erste Mal Revue passieren lassen. Ganz bewusst. Von Anfang bis Ende.«
    Magdalene machte eine kleine Pause. Sie hob beide Arme, als wollte sie mir ein imaginäres Geschenk präsentieren.
    »Und mir schien die Lösung zum Greifen nahe. So einfach und logisch, als wäre ich vorher blind gewesen. Die Spinnen waren der Schlüssel. Mit ihnen konnte ich beweisen, dass Knut keinen einfachen Herzinfarkt erlitten hat. Es war noch nicht zu spät, dachte ich. Das Verbrechen war erst zwei Wochen her. Norbert hatte sicher versucht, die Spinnen zu finden und aus dem Haus zu schaffen, aber das dürfte schwer gewesen sein. Wenigstens eine von ihnen hatte sich bestimmt irgendwo eingenistet. Wenn ich die finden würde, dann könnte ich damit zur Polizei gehen. Immerhin waren das keine normalen Hausspinnen. Sie sahen exotisch aus. Vielleicht haben sie Knut sogar gebissen. An die Möglichkeit habe ich nie gedacht. Ach, ich habe überhaupt nichts gedacht. Aber wenn ich noch eine finden würde, wäre sie der Beweis: Knut ist feige ermordet worden! Ich habe keine Wahnvorstellungen!«
    Ich atmete tief durch. Das hörte sich im ersten Moment durchaus plausibel an. Aber nur im allerersten. Diese Konstruktion stand auf verdammt wackeligen Beinen und war leider naives Wunschdenken. Selbst wenn Magdalene eine Spinne gefunden hätte, was schon vage genug war, sie hätte nie und nimmer für eine Mordanklage oder sogar eine Verurteilung ausgereicht. Diese Beweisführung könnte für Magdalene sogar nach hinten losgehen. Ihr windiger Neffe würde sich zu helfen wissen. Seine Tante und ein Schächtelchen mit Krabbelinhalt bei der Polizei. Eindeutiges Symptom ihres Verfolgungswahns, würde er sagen, und sie mit geheucheltem Mitgefühl ansehen. Ich sprach meine Befürchtungen nicht aus.
    »Und warum sind Sie nicht ins Haus gekommen?«
    »Mein Schlüssel passte nicht. Stellen Sie sich das vor! Norbert hat in der kurzen Zeit unser Haus schon in Besitz genommen und die Türschlösser auswechseln lassen. Ich bin wie eine Diebin um mein eigenes Heim geschlichen. Ich wäre sogar durch ein Fenster gestiegen. Aber alle Fenster, auch die Terrassentür, waren verschlossen. Ich konnte mir nur an der Scheibe die Nase platt drücken, in die vertrauten Räume starren, aber nicht hineinkommen.«
    Magdalenes Stimme war beim Erzählen immer dünner geworden. Sie tat mir unglaublich leid.
    »Sie hätten mich mitnehmen sollen. Gemeinsam wäre uns schon etwas eingefallen. Dann wäre ich nicht eingeschlafen, und mir wäre eine Gefühlsachterbahn erspart geblieben. Mein Traum hat mir eine wunderbare Hoffnung vorgegaukelt, und ich war für einen Augenblick glücklich«, gab ich zu. »Die Ernüchterung fühlt sich an wie ein schlimmer Kater. Darauf hätte ich verzichten können.«
    Magdalene nickte verständnisvoll. »Genauso geht es mir. Ich war plötzlich felsenfest davon überzeugt, dass ich den Kerl überführen könnte. Das hat mich richtig beseelt. Aber als ich vor dem verschlossenen Haus stand, ist mein schöner Plan wie eine Seifenblase geplatzt. Mit einem Mal wusste ich, wie kindisch mein Verhalten ist. Und gefährlich. Wahrscheinlich lauert Norbert nur auf so eine Aktion von mir. Dann kann er mich endgültig in die Psychiatrie stecken.«
    Magdalene setzte sich wieder zu mir.
    »Übrigens war es eine gute Entscheidung, dass ich allein unterwegs war. Sonst säßen wir wahrscheinlich nicht mehr hier«, stellte sie lakonisch fest.
    Ich sah sie verständnislos an.
    »Auf der Rückfahrt im Taxi haben sie über Radio eine Suchmeldung durchgegeben.«
    »Wie – eine Suchmeldung?«, echote ich fassungslos. »Sie meinen …?«
    »Ja, das meine ich. Wir werden gesucht. Jedenfalls

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