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Hab und Gier (German Edition)

Hab und Gier (German Edition)

Titel: Hab und Gier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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sauste in Windeseile die Treppe hinauf, zog das glasklare Ersatzfläschchen mit dem echten Teufelselixier hinter dem Grünen Heinrich hervor, steckte es in die Hosentasche und flitzte wieder in die Küche hinunter. Judith starrte mich mit leicht glasigen Augen an.
    »Muss nur mal schnell Pipi, dann trinken wir einen Absacker zusammen«, schlug sie vor und torkelte davon.
    Mein Glas war noch halbvoll, doch ich hatte es satt, ihr beim Saufen Gesellschaft zu leisten. Zornig kippte ich es in den Ausguss. Ihres war zwar leer, aber eine angebrochene Flasche stand noch auf dem Tisch. Du wirst einen Kater kriegen, wie du ihn noch nie erlebt hast, dachte ich zornig und drehte bereits am Schraubverschluss des winzigen, aber unheilvollen Fläschchens. Da sie jeden Moment zurück sein konnte, kippte ich kurzentschlossen den gesamten Inhalt in die Weinflasche und setzte mich wieder auf meinen Platz.
    Judith war rasch wieder da und wollte zuerst mein Glas nachfüllen.
    »Lass mal, ich bin müde«, sagte ich und stand auf. »Ich möchte jetzt ins Bett.«
    »Spielverderberin!«, knurrte Judith. »Dann hau ich mich am besten auch aufs Ohr.« Und damit klemmte sie sich die Flasche unter den Arm und wankte vor mir die Treppe hinauf, bis ganz nach oben. Ich lauschte noch eine Weile, unschlüssig, ob ich sie nicht doch noch warnen sollte. Aber mein Groll siegte – sollte diese Schlampe ruhig krank werden und leiden! Vielleicht würde sie sich dann das nächste Mal besser benehmen. Wo doch alle in der Bücherei die Grippe hatten, würde es nicht auffallen, wenn auch sie ein paar Tage ausfiel. Mit schlechtem Gewissen schlief ich ein. Aber im Traum wurde ich von allen Nachtgespenstern heimgesucht, die sich seit Bernadettes unseligem Tod in meiner Villa angesammelt hatten.
    »Am Montag müsst ihr aber wieder in die Schule«, sagte ich beim Frühstück. »Was macht eigentlich euer Papa, schläft er noch?«
    »Hast du vergessen, dass er krank ist?«, fragte Lilli vorwurfsvoll. »Wir dürfen ihn nicht wecken. Aber er hat uns versprochen, mit uns nach Mannheim zu fahren, damit wir die Mama im Krankenhaus besuchen.«
    Paul ging ans Fenster. »Es hat geschneit!«, rief er. Und gleich darauf etwas ängstlich: »Das Auto von der Frau ist da draußen! Hat die heute frei?«
    »Weiß ich nicht, vielleicht habt ihr sie ja ebenfalls angesteckt«, sagte ich und schmierte aus Versehen Nutella auf mein eigenes Brot.
    »Hoffentlich wird die Karla nicht krank«, sagte Paul zu seiner Schwester. »Dann müssen wir zwei den Laden schmeißen!«
    »Dürfen wir mit Bella in den Garten?«, fragte Lilli. »Sie kratzt schon dauernd an der Tür. Die will sicher in den Schnee…«
    »Dann zieht euch die Gummistiefel an!«, befahl ich.
    Seit sein Herrchen krank war, war der Hund nicht mehr mit ihm spazieren gewesen. Entweder lief Cord in der Ebene zwischen Weinheim und Hemsbach durch die Felder oder wanderte in den sanften Hängen der Bergstraße durch aufgegebene Schrebergärten, wo Bella gelegentlich einen Dachs, Fasan oder gar ein Reh aufstöberte. Zum Glück waren die beiden bis jetzt noch keinem Förster begegnet. Der Hund war inzwischen an diesen täglichen Auslauf gewöhnt.
    Gerade als die Kinder die Tür zum Garten öffnen wollten, betrat Cord die Bühne, zwar etwas käsig und verschlafen, aber anscheinend nicht mehr fiebrig. Als ihn die Zwillinge an den Besuch im Krankenhaus erinnerten, blockte er ab.
    »Morgen vielleicht, ich bin noch nicht ganz auf dem Posten. Ihr könnt die Mama ja mal anrufen…«
    »Das tun wir doch jeden Tag«, sagte Paul. Und Lilli: »Papa, versprochen ist versprochen!«
    Es half nichts, die winselnde Bellablock musste zu Hause bleiben, Cord fuhr mit meinem Wagen und seinen Kindern nach Mannheim.
    Erst am Nachmittag begann ich mir Gedanken zu machen, ob Judith vielleicht ernsthaft erkrankt war. Von oben war weder die Wasserspülung noch sonst ein Laut zu hören, auch als ich die Treppe hinaufschlich und vor ihrer Wohnungstür lauschte. Eigentlich hatte ich ihr ja den Brummschädel gegönnt, aber allmählich wurde es mir unheimlich. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus, stieg zum zweiten Mal die Treppe hoch. Die Tür war nicht abgeschlossen. Es kam mir hier sehr still vor, durch den Schnee hörte man die Straßengeräusche nur gedämpft. Ich schaltete das Licht an und trat ins Schlafzimmer.
    Judith lag mit offenem Mund und starrem Blick im Bett. Der Anblick war eindeutig. Die leere Weinflasche sowie den Bademantel hatte sie direkt neben

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