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Hab und Gier (German Edition)

Hab und Gier (German Edition)

Titel: Hab und Gier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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dabei heraus, Cord bückte sich danach, drehte es auf und versuchte, einen Tropfen in die Innenfläche seiner rechten Hand zu kippen.
    »Sieh mal einer an!«, sagte er irritiert. »Es ist ganz leer, dabei war der Deckel fest zugeschraubt! Ob sie es verschüttet oder selbst ausgetrunken hat? Aber davon konnte sie auf keinen Fall sterben, es war ja nur Wasser drin. Den Kindern hatte sie nur einen winzigen Tropfen in den Saft gegeben, das habe ich genau beobachtet. Wo ist also der Löwenanteil geblieben?«
     Auf einmal kam mir eine zündende Idee, die mich moralisch stark entlasten würde. »Ob sie die Tropfen gar nicht für Lilli und Paul eingesteckt hatte? Vielleicht wurden sie ja in mein Glas geschüttet, während wir die Kinder wieder ins Bett gebracht haben.«
    Cord zog die Stirn in Falten, überlegte und meinte, das mache Sinn, aber man könne es leider nicht mehr beweisen. Grübelnd fuhr er sich mit der Hand durch die Haare und setzte sich dann an Judiths Schreibtisch. Sie habe ihm mal gesagt, dass sie einen ganz bestimmten Plan verfolge… Mehr verriet er nicht, sondern begann in ihren Schubladen zu kramen. Währenddessen saß ich stumm auf der Bettkante und starrte fassungslos auf die Tote. Nach längerem Suchen zog Cord einen herausgerissenen Zeitungsartikel hervor, las, schüttelte ungläubig den Kopf und überreichte ihn mir.
    …die Gefährlichkeit der Vergewaltigungsdroge GHB wird unterschätzt. Im Jahr 2012 starben in Deutschland mehrere Menschen an einer Überdosis, meistens in Verbindung mit erhöhtem Alkoholkonsum. GHB lässt sich nur acht Stunden im Blut und zwölf im Urin nachweisen. Außerdem löscht die Droge die Erinnerung der letzten Stunden…
    Wir warfen uns skeptische Blicke zu und dachten nach. Es hatte nichts Gutes zu bedeuten, dass sie sich die gefährlichen Tropfen besorgen ließ, über deren Wirkung sie bestens informiert war. Während Cord weiter in Judiths Papieren wühlte, kamen mir wieder meine diversen Testamentsentwürfe in den Sinn.
    »Falls sie mich umbringen wollte, dann bestimmt nicht aus persönlichem Hass, sondern um mich zu beerben. Ich hatte bereits ein vorläufiges Testament aufgesetzt, aber natürlich noch nicht unterschrieben. Darin habe ich verfügt, dass beim leisesten Verdacht auf einen nicht natürlichen Tod das Erbe –«
    Cord unterbrach mich, denn er war wieder fündig geworden. Triumphierend hielt er mir ein Papier unter die Nase. Es war nicht etwa eine Kopie, sondern das Original eines meiner zahlreichen Entwürfe, den ich probeweise mit Wolframs Füller geschrieben hatte. In der ersten Hälfte meines Testaments hatte ich Judith als Alleinerbin eingesetzt, dann war das Papier in der Mitte geschickt abgetrennt worden, so dass die wichtige Klausel entfiel. Judith hatte jedoch mit einem eigenhändigen Punkt den Satz beendet sowie ein zurückliegendes Datum und meine Unterschrift daruntergesetzt. Einen Punkt zu fälschen war nicht weiter schwer, für meine Unterschrift musste sie eifrig geübt haben, und ich war trotzdem mit dem Resultat recht unzufrieden. Ob sich das Nachlassgericht von einem halben DIN-A 4-Bogen hätte überzeugen lassen, wagte ich ebenfalls zu bezweifeln. Die Idee war zwar clever, aber die Ausführung stümperhaft.
    »Wo hast du die richtigen Tropfen aufbewahrt?«, fragte Cord, nachdem er seine grauen Zellen genügend strapaziert hatte; ich wurde dunkelrot und antwortete nicht.
    »Hast du ihr etwa…?«, hakte er nach, und ich blieb weiter stumm.
    Daraufhin schwiegen wir wieder beide; ich schaute verlegen zu Boden und kam mir vor wie eine Schülerin, die beim Mogeln ertappt wird.
    Schließlich raffte sich Cord auf und rief beim ärztlichen Notdienst an, normale Praxen waren am Wochenende geschlossen.
    »Der Arzt kommt in der nächsten Stunde. Du brauchst aber keine Angst zu haben, man kann im Labor wahrscheinlich nichts mehr nachweisen«, sagte er tröstend. »Vielleicht renkt sich doch noch alles wieder ein, jetzt, wo sie uns nicht mehr manipulieren kann. Judith hat sich nie selbst die Hände schmutzig gemacht – dich hat sie zum Fälschen angestiftet, von mir hat sie verlangt, dass ich Wolfram erdrossle und die Qualle ausschalte. Sie war meine große Liebe, aber auch mein Verderben.«
    Es war mir klar, dass Cord die Folgen meiner Tat begriffen hatte, auch ohne dass es ausgesprochen wurde. Ich setzte zur Rechtfertigung an. »Ich hatte doch keine Ahnung, dass man von einem weißen Wässerchen sterben kann«, jammerte ich. »Judith wollte deinen

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