Haben Sie das von Georgia gehoert
Georgia beten konnte.
Sie nahm einen Umweg, damit sie nicht an Krystals Haus vorbeifahren musste. Den Anblick des ZU VERKAUFEN-Schilds würde sie nicht noch einmal ertragen.
Der Parkplatz der First Baptist war überfüllt. Anscheinend war jeder Sünder in der Stadt zu dem Schluss gelangt, dies sei der Tag, an dem er den Bund mit seinem Herrn erneuern wolle. Vielleicht war es aber auch die zunehmende Strahlkraft des virilen Pastors Brent Colgate, die den Parkplatz füllte und die Kirchenbänke bersten ließ. Georgia fuhr bis ans hintere Ende des Platzes. Eine letzte freie Lücke musste doch noch zu finden sein. Schließlich gab sie auf und fuhr weiter, um in der Sycamore Street zu parken.
Als Nathan die Scharen von Weißen sah, die zur Kirche
strömten, fragte er: »Ist es dir peinlich, wenn ich mit dir da hingehe?«
Da war sie, die 64 000-Dollar-Frage.
Georgia log in ihrem fröhlichsten Tonfall. »Überhaupt nicht. Aber danke, dass du fragst. Lass uns jetzt reingehen.«
In den ersten dreißig Jahren ihres Lebens war Georgia diese Stufen immer in Little Mamas Begleitung hinaufgestiegen. (Daddy, der Ungläubige, hatte immer lange geschlafen.) Seit Little Mama nicht mehr mitkam, ging Georgia allein. Es war ein äußerst merkwürdiges Gefühl, jetzt mit diesem schlaksigen schwarzen Jungen hier zu sein.
Sie begrüßte Steve und Mary Lou Osman. »Hey, Georgia, du meine Güte, was für ein hübsches Kleid!«, sagte Mary Lou. »Toll, die Perlen. Und wen haben wir hier?«
Typisch Mary Lou, mit dieser Frage herauszuplatzen. Sie sagte immer genau das, was ihr gerade in den Sinn kam.
»Ich bin Nathan.« Er streckte die Hand aus und begrüßte erst Mary Lou, dann Steve. Sie lächelten über seine Förmlichkeit.
Mary Lou sagte: »Was für ein netter und höflicher junger Mann.«
»Er ist mein Sohn«, sagte Georgia.
Mary Lou klapperte mit den Wimpern. »Er ist dir wie aus dem Gesicht geschnitten!«
Nathan lachte los, ein bisschen zu laut. »Danke!«, sagte Georgia und ging weiter. Sie war Mary Lou dankbar dafür, dass sie einen positiven Ton angeschlagen hatte, aber jetzt wollte sie mit möglichst wenig Wirbel in die Kirche kommen. Sie spürte zahlreiche Blicke auf sich, hauptsächlich männliche – aber starrten sie sie nicht immer an? Sie war attraktiv und achtete auf ihr Äußeres. Warum sollten sie nicht herschauen?
Zumal wenn sie ihnen einen Afroamerikaner vorführte?
Sie winkte Jimmy Lee Newton zu, dann Sandie Winkler, George Thomas, Emma Day Pettigrew und ihrem Mann Floyd – und man konnte nicht sagen, wer von ihnen am heftigsten stutzte.
Aus einem Fünfundvierzig-Grad-Winkel schwenkte Myrna Louise Myrick herein; sie war es, die diese unangenehme Nachricht wegen des Quilts auf Georgias Anrufbeantworter hinterlassen hatte. Georgia manövrierte Nathan auf der Treppe nach links und brachte geschickt die Menge zwischen sich und Myrna Louise.
Aus dem gleißenden Sonnenlicht von Süd-Alabama traten sie in die dunkle Höhle des Vestibüls; sie mussten ein paarmal blinzeln, ehe sie etwas erkennen konnten.
Was Georgia sah, waren Leute, die in ihrer Bank saßen.
Sie zählte die Bänke ab, um sicher zu sein, dass sie sich nicht täuschte. Die vierte Bank auf der linken Seite. Das mussten Fremde sein. Jeder in dieser Kirche wusste, dass dieser Platz immer schon Georgia gehört hatte.
Von hinten erkannte sie sie nicht – aber dann sah sie den molligen Nacken der Frau. Diese rosaroten Hautrollen hätte sie überall wiedererkannt: Brenda Hendrix.
Und neben ihr – ja, wahrhaftig, der Mann persönlich! Eugene!
Er war dünner geworden – und blass sah er aus. Und er hatte die vordere Hälfte seines Haars verloren.
Und da! Die vier reizenden Töchter! Allerdings nicht mehr ganz so reizend. Die beiden älteren wurden fett; ihre ererbte Neigung zur Unförmigkeit überwog die anbetungswürdige Niedlichkeit von früher. Die beiden jüngeren waren immer
noch niedlich, aber sie bewegten sich auf das gleiche Schicksal zu: Man sah es daran, wie ihre Schürzen spannten. Georgia wusste, dass die Art Freude, die sie empfand, sich nicht gehörte.
Die Familie Hendrix nahm Georgias ganze Bank in Anspruch; nur ein kleines Eckchen am Ende war noch frei. Aber sie würde sich nicht zu ihnen setzen.
Eugene und Brenda hatten sich hier in der Stadt vier Jahre nicht blicken lassen – und rein zufällig kreuzten sie heute auf und setzten sich auf ihren Platz?
Nie im Leben. Das war kein Zufall.
Georgia entdeckte, dass die Bank
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