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Haben Sie das von Georgia gehoert

Haben Sie das von Georgia gehoert

Titel: Haben Sie das von Georgia gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Childress
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düsteren Gedanken geplagt worden.
    Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie sich sogar gefragt, wie es wohl wäre, eine Handvoll von Mamas Tabletten zu schlucken.
    Ein paar Augenblicke lang hatte sie diesen Gedanken ernsthaft in Erwägung gezogen, war dann jedoch zu dem Schluss gelangt, dass sie es einfach nicht über sich brachte. Sie hatte so viel Verantwortung … und außerdem war sie neugierig. Sie wollte wissen, was morgen passieren würde, und übermorgen.
    Ein bisschen länger und ein bisschen ernsthafter dachte sie über einen anderen Tod nach. Über den Tod eines anderen Menschen. Über einen Tod, der einen, wenn man geschnappt wurde, nicht in den netten Knast im Gerichtsgebäude bringen würde, sondern ins Julia-Tutwiler-Frauengefängnis, und zwar den Rest des Lebens.
    Aber Georgia fand, dass jemand, der eine Ladung Dynamit unter dem Leben eines anderen hochgehen ließ, es verdient hatte, bei der Explosion verletzt zu werden.
    Sie traute sich zu, jemanden umzubringen. Wenn es sein müsste. Wenn es darum ginge zu töten oder getötet zu werden. Aber sie war ziemlich sicher, dass sie keinen Mord planen und begehen und damit davonkommen könnte. Irgendeinen verhängnisvollen Fehler würde sie begehen, irgendein Detail übersehen. Oder sie würde bei der ersten Vernehmung zusammenbrechen und alles gestehen.
    Eins stand fest: Wenn Brent Colgate zufällig von einem Lastwagen überfahren werden würde, dann würde Georgia ein Glas auf den Fahrer trinken.
    So wälzte sie sich hin und her und wünschte, sie hätte eine
von den Schlaftabletten genommen, die sie Little Mama immer gab. Sie stellte sich vor, wie Brent jetzt im Pfarrhaus in der Maple Street neben Daphne lag und sich zu seiner Genialität beglückwünschte.
    Brent Colgate war ein ziemlich gutes Argument gegen die Existenz Gottes, fand sie. Ein existierender Gott würde auf jemanden wie Georgia aufpassen – auf jemanden, der vielleicht ein paar moralische Macken hatte, aber im Grunde ein guter Mensch war, der niemals jemandem absichtlich ein Haar gekrümmt hatte. Ein existierender Gott würde nicht erlauben, dass ein Mann sein gutes Aussehen, Gottes Wort und Gottes Kanzel dazu benutzte, herumzulaufen und im Leben einer anderen Person Gott zu spielen.
    Aber nun, im hellen Licht eines Sonntagmorgens, schien das alles nicht mehr so drastisch zu sein wie in der vergangenen Nacht. Voller Empörung war sie eingeschlafen, fest entschlossen, die Kraft aufzubringen, um Brent Colgate zu sagen, wohin er sich die Liste seiner Anweisungen schieben könne.
    Jetzt, am Morgen, fand sie zusehends zurück in den Selbsterhaltungsmodus.
    Vielleicht könnte sie ja doch tun, was er verlangte.
    Wenn sie es täte, würde Brent sie ihr Leben weiterführen lassen. Ihr Ruf würde nicht zerstört werden. Sie könnte durch die Stadt gehen, ohne vor Scham ihr Gesicht zu verhüllen. Sie würde einfach eine weitere Schicht der Geheimhaltung auf all die anderen Schichten legen.
    Sie hörte, wie Whizzy an der Tür kratzte. Wieso kam er nicht durch die Hundeklappe herein? Sie drückte sie auf. »Komm rein, Whiz.«
    Eine sehr leise Stimme fragte: »Bist du allein?«

    Mit einem kurzen Aufschrei machte Georgia einen Satz nach hinten.
    Ein dünner Mann mit kurz geschorenem Haar stand im Schatten der Kühltruhe. »Georgie?«
    »Brother?« O mein Gott.
    »Hey, hey.« Er schob sich ins Licht und wollte sie umarmen. Er roch, als hätte er sich seit einer Woche nicht gewaschen.
    »Nicht!« Sie stieß ihn weg. »Du hast mir einen Heidenschreck eingejagt! Was machst du hier?«
    »Ich bin rausgekommen«, antwortete Brother.
    »Wie denn, zum Teufel …? Deine Bewährungsverhandlung ist erst in sechs Wochen.«
    Whizzy sprang um sie herum, bellte und leckte Brothers Fußknöchel. Brother war gertenschlank, und mit seinem fast kahlen Schädel sah er so hart und muskulös aus, dass Georgia ihn auf der Straße vielleicht gar nicht erkannt hätte. Das einzig Vertraute war das strahlende Grinsen, das von einem Ohr zum anderen reichte, breit und glänzend wie ein süßer Maiskolben. Er trug einen Overall in leuchtendem Orange. Auf dem Rücken war ein Viereck herausgerissen.
    Er kniete sich hin, um Whizzy zu streicheln. »Sie haben mich in eine Arbeitskolonne gesteckt«, erzählte er, »und gestern mussten wir an der I-65 Unkraut jäten. Bei der Stuckey’s-Raststätte an der Ausfahrt Letohatchee, wo es die süßen Nüsse gibt – du weißt, wo? –, rollt plötzlich ein Neunachser über so’n kleinen

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