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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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erste Fähre aneinandergeketteter Menschen das Ufer erreicht hatte, betraten die Menschen das Land. Ich war so erschüttert über die Unmenschlichkeit, die man diesen angetan hatte! Die Menschen konnten nur schleppend gehen, sie wurden links und rechts flankiert von knüppelschwingenden SS -Leuten, die immer wieder auf sie einschlugen, um sie anzutreiben. Am Schluß des Zuges waren Fahrzeuge, auf denen die Zusammengebrochenen gestapelt wurden. Das Übersetzen der KZ ler dauerte die ganze Nacht. Als ich am nächsten Abend das Bataillon über die Weser setzen ließ, erzählte mir der Fährkommandant bereits, daß die SS auf dieser Seite der Weser das gesamte Lager den Landesschützen übergeben hätte und sie sich selbst in Sicherheit gebracht hätten: Die Alliierten standen zu der Zeit bereits am Mittellandkanal. Wir haben dann über dieses Gesehene mit zuverlässigen Kameraden viel diskutiert. Einige von uns wollten daraufhin die Truppe verlassen.
    Bäuerin, 1920
    In den letzten Kriegstagen wurden hier KZ -Häftlinge durchgetrieben, die kamen wohl von Bergen-Belsen und sollten nach Schleswig-Holstein. Wir haben alle geweint, als wir das sahen.
    Welche zogen auch Wagen, auf denen welche von der SS saßen.
    Das waren Frauen.
    Hausfrau, 1917
    1945 in München, zwischen München und Starnberg, da sah ich einen ganzen Zug von blaugestreiften Menschen, die kamen da ganz schwer gegangen, wie Masken, von SS mit irrsinnigen Bluthunden bewacht, nicht diese Neufundländer, sondern viel fürchterlichere Tiere.
    Ich merkte dieses Gefühl, wenn sich einem jedes Haar am Körper sträubt. Ich bin da durchgerast, durch diesen Wald!
    Da lagen welche am Weg, die konnten nicht mehr. Die krümmten sich.
    Eine Frau
    Im April 1945 habe ich zum erstenmal durch einen Freund meines Mannes, der nach Auschwitz versetzt worden war, von den Untaten der Nazis gehört… der hat uns das alles erzählt. Und da hab’ ich gesagt: » Meine Güte, wenn uns die Rechnung aufgemacht wird, dann gute Nacht!«
    Drogist
    Nein. Anfang Mai 45 habe ich das erste bemerkt. Ich bin Jahrgang 26. Wir strömten in Richtung Westen, von Berlin aus. Auf der Bundesstraße 5 trafen wir auf einen Zug Sträflinge. Ich sagte: » Was wollen die denn alle hier?« Ich ging in ein Haus rein und fragte: » Haben Sie was zu trinken?« Und da saßen auch solche Leute herum, und da sagt die Frau: » Das sind keine Sträflinge, das sind KZ ler.« Die sahen schlimm aus. Die waren stumm und schlaff. Die hatten sie auf Pferdekarren gesetzt. Die waren freigelassen worden.
    Jurist
    In meinem Tagebuch– » Gelobt sei, was hart macht«, so in diesem Stil– habe ich meine erste Begegnung mit KZ -Sachen niedergeschrieben. Ich war auf dem Rückmarsch von Küstrin aus.
    Abends hielten wir im Mecklenburgischen. Plötzlich kamen lauter Leute auf uns zugeströmt: Ob wir Brot hätten. Es war nach dem 20. April, aber noch im Krieg. Das waren lauter Ravensbrücker Frauen.
    » Was ist denn das?« haben wir gefragt. » Ravensbrück?«
    » Das kennen Sie nicht?« schrie mich da die eine an. » Dann werden Sie das noch kennenlernen!«
    Was? dachte ich. Wie sprechen die denn mit mir? Wir haben doch den Krieg noch nicht verloren?
    Daß es sie gab, wußte ich wohl, aber von Ravensbrück hatte ich noch nichts gehört.
    Lehrerin, 1930
    Furchtbar.
    Wir sind aus dem Kreis Braunsberg, und dann haben wir auf der Flucht…
    Auf einem kleinen mecklenburgischen Dorf hab’ ich die KZ -Juden pflegen müssen. Beim Russeneinmarsch saßen wir drei Tage im Keller, bis der erste Ansturm vorüber war. Dann kam eine russische Schwester und nahm mich mit. Da war ein Zelt, und in dem Zelt waren lauter kaputte Menschen! Furchtbar! Die Kleider ganz voll Läuse, und die sollte ich baden. Erst mal ausziehen diese Leute, und dann hab’ ich sie nackend gesehen, und so hab’ ich mich geekelt! Die Kleider waren weiß von Nissen. » Können Sie sich nicht selber ausziehen?« hab’ ich gefragt, weil mir das ganz furchtbar war. Ich war ja erst fünfzehn Jahre damals.
    Dann hab’ ich sie gewaschen, und dann mußten alle Körperhaare entfernt werden! Mit so einer Rasierklinge… Ich sagte: » Nein! Das kann ich nicht!«
    Ich kriegte noch ein junges Mädchen zu Hilfe, und die war ganz wunderbar.
    Das haben wir dann bis Mitternacht gemacht. Und als wir fertig waren, führte uns die Schwester in ein anderes Zelt, da saßen lauter Männer! Und ein Gestank! Die waren so schwach, daß sie alles unter sich ließen.
    Ich sag’: » Nein! Das

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