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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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empfand man damals als eine Knechtung, und der Ruf Hitlers, das abzuschütteln, hatte etwas Bestechendes.
    Aus war’s dann 1923.
    1921 hab ich ihn auch mal gesehn, diese Unmenschlichkeiten waren damals noch nicht drin. Ein ungewöhnlich geschickter Redner. Wer da nicht auf festem Boden stand, der war geliefert. Die alten Frauen waren doch alle besessen, die sind ihm doch alle nachgelaufen.
    Urologe, 1923
    Mein Vater war politisch inaktiv. Als Doktor auf dem Lande war er in jeder Partei sozusagen und in jedem Verein, aber er ging nirgends hin. Und die ließen ihn denn auch zufrieden.
    Wenn Wahl war, zockelte ich mit meinen Eltern zur Schule. Da waren die Wände beschmiert, viel Rot. Und die Kommunisten fielen auf durch leuchtende rote Reklamefarbe auf ihren Plakaten.
    In unserer kleinen Stadt gab es ja viele Kommunisten, das waren arme Leute. Ich hatte gute Freunde darunter.
    Und diese Schalmeienkapellen. Dann zogen die abends bei Dämmerung durch das Städtchen, und es waren auch viele Frauen dabei. Und wenn die Musik vorbei war, dann schrien sie: » Hunger!« Das ging einem durch Mark und Knochen.
    Hausfrau
    An Plakate erinnere ich mich und an eine wilde Prügelei meiner Brüder mit Kommunistenjungs.
    Wir haben uns immer furchtbar gefürchtet.
    Prokurist, 1924
    Schreiende, laufende Massen, das ist das einzige, was ich noch weiß. Polizei mit Gummiknüppeln.
    Mein Großvater hat uns schnell zur Seite gebracht.
    Eine Frau
    Auf dem Lande haben wir davon nicht so viel gemerkt. Das einzige, was es gab, waren Sozialdemokraten. Das waren die Arbeiter. Kommunisten gab es damals nicht bei uns. Die Knechte bei den Bauern wählten sozialdemokratisch.
    Steinmetz, 1913
    Wir mußten immer aufpassen, wenn wir nachts von der Stadt zu unserem Dorf nach Hause gingen, das waren so 15 Kilometer, die gingen wir zu Fuß. Wir mußten immer mit mehreren zusammen gehen, sonst hätten wir ein Jackvoll gekriegt von den Roten.
    Hausfrau, 1905
    Ich hätte gern Tennis gespielt damals, aber wir konnten uns das nicht leisten. Und außerdem: In weißem Zeug nach Hause fahren, da hätt’ ich mich geniert, wenn die Arbeiter das sehen.
    Buchhändlerin, 1926
    Wir hatten einen sehr schlechten Ruf im Dorf, weil meine Mutter einen Bubikopf trug. Außerdem hatten wir ein Auto– als Lehrer!– und fuhren ins Ausland, und das war ungewöhnlich.
    Hausfrau, 1889
    Mein Mann war national, der hat sich um Parteien nicht gekümmert, der war für den Kaiser. Die etwas Geld hatten, die waren da drin.
    Mit den Nazis wollt’ er nichts zu tun haben, der haßte die.
    Lektor, 1913
    Im Schottenhamel wurde ausgerufen: » Ist ein Herr Hitler da?«
    Damals trug er noch Wickelgamaschen und Schnürstiefel.
    Nix weiter über den Kerl.
    Bahnbeamter, 1907
    Ich habe Hitler schon 1924 gesehen, da ham’s Schafskopf gespielt, die Wirtschaft kann ich nicht mehr sagen, das war in Bayreuth. Skat.
    Ein Mann
    Zum ersten Mal habe ich ihn 1929 gesehen, ich wußte nicht, wer er war, wurde aufgeklärt durch einen Kellner, in einer Münchner Bar, der Maxims Bar. Da hielt er hof. Ich war damals ein armes Schwein, lebte von der Hand in den Mund. Meine Freundin war ziemlich attraktiv, die verkaufte da Zigaretten. Ich saß in der Küche von der Bar und seh’, daß die Leute da so zackig grüßen. Ich frag’: » Was ist denn da los?«– » Das ist Hitler, der damals den Putsch gemacht hat.«
    Da hab’ ich ihn also das erste Mal gesehen, vor einem Glas Wasser sitzend. Er gab da irgendwelche Befehle, und die schwirrten dann ab.
    Lehrer, 1905
    In der Vorhitlerzeit, im Sportpalast. Göring sprach, und Goebbels. Der Hitler nicht. » Wir, die wir im Blut des Weltkrieges groß geworden sind, wir fürchten keinen Gummiknüppel.«
    Ein Redner sagte, er habe nach dem Krieg einen totgeschlagen und habe fünf Jahre dafür büßen müssen, weil er den dahin geschickt hat, wo er hingehört.
    Einer aus dem Publikum rief immer: » Deutschland!«, und die andern schrien dann: » Erwache!« Darauf hatte die Polizei bloß gewartet, kamen dann mit den Gummiknüppeln. Und auf den, der da » Deutschland« geschrien hatte, gingen sie besonders los, dachten wohl, das wär’ der Anführer. Nun konnten sie den ja auch leichter kriegen, weil das ein einzelner war, die andern alle hätten sie ja nicht fangen können, das wären ja zu viele gewesen.
    Arzt, 1921
    Ich hab’ ihn nur ganz kurz gesehen, in Magdeburg, im Auto. Da schmissen sie ihn mit Steinen, Reichsbanner.
    Magdeburg war rot.
    Er ist dann nie wieder nach

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