Hackenholt - 02 - Das letzte Laecheln
Blick seines Kollegen.
»Das ist etwas Ernstes geworden zwischen dir und Sophie, nicht wahr?« Wünnenberg war mittlerweile extrem gut darin, Hackenholts Stimmungen zu interpretieren.
Hackenholt nickte. »Für alles andere bin ich einfach zu altmodisch.« Damit ließ er die Hände auf den Schreibtisch fallen. Der Moment der Melancholie war so schnell vorüber, wie er gekommen war. »Na los, lass uns anfangen, sonst kommen wir heute nicht mehr aus dem Kasten hier raus.«
Während ihrer Abwesenheit hatte jemand zwei Nachrichten ins Posteingangsfach gelegt. Die erste war von Dr. Puellen: Er hatte die Obduktion für halb neun am folgenden Morgen anberaumt. Hackenholt stöhnte auf. Ein Sonntagsbonus in Form einer humaneren Anfangszeit wäre ihm mehr als recht gewesen.
Als Wünnenberg die Notiz sah, lachte er schadenfroh. Puellens Bestreben, seine Arbeit am äußersten Rand der üblichen Institutszeiten zu verrichten, war allseits genauso berüchtigt wie gefürchtet.
Die zweite Mitteilung war ein maschinengeschriebenes Protokoll von Christian Berger und listete Namen und Anschriften der Halter der drei auf dem Supermarktparkplatz verbliebenen Pkw auf. Neben die letzte Angabe hatte der Kollege ein Ausrufezeichen gesetzt. Es handelte sich um einen Geländewagen, der auf die Firma BMW als Leihfahrzeug zugelassen war. Handschriftlich war ergänzt worden, dass Berger in der Niederlassung angerufen, aber nur einen Anrufbeantworter erreicht hatte. Die anderen beiden Fahrzeugeigentümer wohnten unmittelbar neben der Sternmann-Filiale, sodass Hackenholt seine anfängliche Vermutung hinsichtlich der Parkplatzknappheit bestätigt sah.
Hackenholt war auf dem Sofa liegend über einem Buch eingeschlafen und wurde von Sophies sanftem Rütteln geweckt. Da sie keine gemeinsame Wohnung hatten, wechselten sie sich ab: Einen Abend trafen sie sich bei ihr, den anderen bei ihm.
»War es schlimm in der Grolandstraße?« Sie fuhr mit der Spitze ihres Zeigefingers die Kontur seines Ohrs nach.
»Sind vielleicht zufällig ein paar Bratwürste übrig geblieben?«, fragte er vom Thema ablenkend, da er nicht gleich zur Begrüßung von seiner Arbeit berichten mochte.
»Haufenweise.« Sophie deutete auf den Korb neben sich. »Es sind nicht annähernd so viele Jugendliche gekommen wie erwartet. Fasching ist bei den Kids offenbar out. Ich kann also morgen Saure Zipfel kochen, wenn du magst.«
Er wusste, dass sie das nur sagte, um ihn zu ärgern. Mit Sauren Bratwürsten konnte sie ihn jagen. »Klasse, dann habe ich endlich mal wieder einen Grund, mir im Bratwursthäusle an der Sebalduskirche ein leckeres Bratwurstbrötchen zu holen«, antwortete er daher in bewusst unbeschwertem Ton.
»Als wenn du dafür einen Grund bräuchtest.« Sophie quittierte seine Reaktion mit dem von ihm beabsichtigten Lachen. »Hast du heute überhaupt schon was gegessen?«
Weil Hackenholt befand, dass der Besuch des Burger-Restaurants nicht zählte, verneinte er die Frage. Durch seinen Beruf hatte er sich angewöhnt, ungeachtet der Tageszeit immer dann zu essen, wenn er Zeit dazu hatte, und das zu sich zu nehmen, was ihm gerade in die Finger kam. Bislang waren ihm diese Gewohnheiten zum Glück noch nicht auf die Figur geschlagen.
»Dann komm. Ich habe nicht nur rohe, sondern auch ein paar gegrillte Bratwürste mitgebracht. Und Kartoffelsalat ist auch noch da. Nur Brötchen waren keine mehr übrig. Mit Drei im Weggla wird’s also nichts.«
Trotz dieser eigentlich niederschmetternden Aussicht folgte Hackenholt Sophie hungrig ins Esszimmer.
Erst als sie im Bett lagen und Sophie sich müde an ihn schmiegte, erzählte er ihr von den Ereignissen im Supermarkt.
Sonntag
Während Hackenholt im Sektionssaal des Westfriedhofs Dr. Puellens Autopsie der Toten beiwohnte, saß Sophie zu Hause in ihrem Arbeitszimmer und blickte aus dem Fenster in ihren mit viel Liebe angelegten kleinen Garten. Trotz der Jahreszeit hatte er seine Schönheit nicht eingebüßt. In den zwei Rosenspalieren hockte zwitschernd eine Schar Meisen, die an den für sie aufgehängten Sonnenblumenknödeln und Erdnussnetzen pickte. Im Fliederbusch beim Zaun bewachte eine Amsel den vor ihr auf einen Ast gespießten Apfel.
Sophie betrieb zwar nebenbei einen kleinen Partyservice, arbeitete jedoch überwiegend als freiberufliche Übersetzerin. Den Vormittag hatte sie damit verbracht, Texte für einen Kunstkatalog ins Deutsche zu übertragen und Korrektur zu lesen. Nun war sie fertig und suchte nach einer
Weitere Kostenlose Bücher