Hackenholt - 02 - Das letzte Laecheln
Durchfall gelitten – rund um den Baum war der Schnee mit Hundekot übersät.
Stellfeldt zückte sein Handy und bat einen Kollegen der Spurensicherung, herüberzukommen.
***
Nach dem Gespräch mit Timo Scholz fuhren die Beamten zu Renate Simon. Als sie vor der angegebenen Adresse hielten, stellte Hackenholt mit Bedauern fest, dass die prima-Leiterin zwar direkt mit Blick auf den Stadtpark wohnte, allerdings nicht in der Nähe des Neptunbrunnens, den er nicht nur wegen seiner filigran gearbeiteten Drachen und geflügelten Pferde so gerne mochte. Auch Sophies Erzählungen, der Brunnen sei anlässlich des Endes des Dreißigjährigen Krieges gebaut worden, interessierten ihn, der er in der Stadt des Westfälischen Friedens geboren war, genauso wie die anschließende Odyssee, die der Brunnen hatte hinter sich bringen müssen, bis er schließlich in Form einer Kopie seinen endgültigen Standort im Park gefunden hatte.
Renate Simons weitläufige Wohnung lag im einzigen echten Neubau der Straße und passte der Einrichtung nach zu der auch heute sehr elegant gekleideten Filialleiterin. Das schlichte Sofa zierte eine diskret angebrachte Rolf-Benz-Plakette, und die markante Blumenvase konnte nur von Rosenthal stammen. An der Wand glaubte Hackenholt, ein Bild der bekannten Malerin Carina Jacobi zu erkennen, die in Sophies Haus wohnte. Der Raum war im Stil des Art Déco mit vielen kleinen Lämpchen ausgestattet. Man fühlte sich in den Ausstellungsraum einer Innenarchitektin versetzt. Der Unterschied zwischen dem Wohlstand, den diese Einrichtung ausstrahlte, und der billigen Ausstattung, die er in Annika Dorns Räumen vorgefunden hatte, gab Hackenholt zu denken. Er war gespannt, ob Renate Simons Ehemann ein wohlsituierter Mittfünfziger war, der über die hier zur Schau gestellten finanziellen Mittel verfügte. Während er diesem Gedanken noch nachhing, ging die Wohnungstür auf und ein kleiner hässlicher Mops schoss herein, gefolgt von einem jungen Blondschopf. In der Hand hielt der Mann eine Tragetasche der Konditorei Neef.
Renate Simon ging in die Knie, um den Hund mit einem Klaps zu begrüßen, bevor sie sich wieder aufrichtete und die Beamten mit dem Neuankömmling bekannt machte.
»Mein Mann. Patrick Hettenbach.«
Ihre Stimme klang unüberhörbar stolz. Auch die Art, wie sie ihren Gatten anstrahlte, ließ vermuten, dass sie große Stücke auf ihn hielt. Hackenholt registrierte überrascht, um wie viele Jahre der Mann jünger war – und noch dazu einen halben Kopf kleiner.
»Die Herren sind von der Polizei«, fügte sie an ihren Mann gewandt hinzu.
Patrick Hettenbach schien die Begegnung unangenehm zu sein. Verlegen wandte er sich an die Beamten.
»Sie wollen sicher ungestört mit meiner Frau sprechen. Ich werde solange in die Küche gehen.« Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um und verschwand durch eine Tür am anderen Ende des Flurs, durch die zuvor schon der Hund geschlüpft war.
Renate Simon schaute den beiden enttäuscht hinterher. Als sie Hackenholts beobachtenden Blick spürte, straffte sie ihre Schultern wieder. Innerhalb von Sekundenbruchteilen verwandelte sie sich zurück in die elegante und souveräne Hausherrin.
»Ich habe nicht erwartet, Sie derart schnell wiederzusehen.« Ihre Stimme klang ein paar Grad kälter.
Hackenholt überging den Affront und schaltete stattdessen sein Diktiergerät ein. »Frau Simon, Sie haben uns gestern gar nicht erzählt, woher Sie Annika Dorn eigentlich kannten.«
»Annika hat bei uns ihre Einzelhandelsausbildung gemacht und anschließend am Führungsnachwuchsprogramm teilgenommen.«
»Sie hat bei Ihnen in der prima-Filiale gearbeitet?«
Renate Simon schüttelte den Kopf und langte nach einer Zigarettenschachtel. »Nein, in der Konzernzentrale, nicht in meiner Filiale. Während dieser Zeit hatten wir allerdings nicht viel miteinander zu tun. Wir kannten uns nur vom Sehen. Und dann ließ sie sich von der Konkurrenz abwerben.« Es entstand eine Pause, als sie eine Zigarette aus dem Päckchen nahm und anzündete. Da Hackenholt beharrlich schwieg, fuhr sie schließlich fort: »Vor zwei Jahren besuchten wir zufällig beide denselben Italienischkurs an der Volkshochschule. Das Gros der Teilnehmer ging jede Woche nach dem Unterricht ein Glas Wein trinken. Im Laufe dieser Abende haben wir uns angefreundet.«
»War es eine enge Freundschaft? Ich meine, vertraute Frau Dorn Ihnen private Sorgen an?«
»Natürlich hätte sie mir davon erzählt, wenn es in ihrem
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