Hackenholt - 02 - Das letzte Laecheln
Sternmann?« Der ältere Herr, der, wie ihr jetzt erst auffiel, Anzug und Krawatte trug, sah sie ernst an.
Sie nickte. »Hams in de Frej zwischn sechsa und achda was Komischs gseng odda ghörd?«
»Ich wünschte wirklich, ich könnte Ihnen helfen. Aber ich bin nicht mehr der Jüngste und habe Angst, mir ein Bein zu brechen, wenn ich bei dem Wetter hinausgehe. Die Fußwege hier wurden noch nie ordentlich gestreut.« Er machte eine unwirsche Handbewegung. »Aber Sie sind bestimmt nicht gekommen, um sich das Gejammer eines alten Mannes anzuhören. Meine Fenster gehen, wie Sie sehen, nach hinten raus. Was auf der Straße los war, kann ich also nicht sagen. Trotzdem hat gestern Morgen etwas meine Aufmerksamkeit erregt.«
Saskia nickte dem Mann aufmunternd zu.
»Es klingt komisch und mag auch nichts zu bedeuten haben, aber ein Hund hat mich geweckt.« Schnell hob er die Hand, als er die Enttäuschung in Saskias Gesicht wahrnahm. »Nicht dass das Tier ein- oder zweimal gebellt hätte. Der Ärmste winselte eine ganze Viertelstunde lang ununterbrochen. Direkt hier vor meinem Fenster. Und das früh um kurz nach sieben.«
Der Mann stand auf und winkte Saskia, ihm auf den Balkon zu folgen. Vor dem Haus erstreckte sich über fünfzig Meter eine Grünfläche bis hin zur Uhlandstraße. Nahe den Häusern standen einige Nadelbäume dicht beieinander. Vom dritten Stock aus wirkten sie wie ein Miniaturwald mitten in der Stadt.
»Als der Krach nicht aufhören wollte, bin ich hier auf meinen Balkon gegangen, um nachzuschauen, was los war. Unten saß ein kleiner dicker Hund. Er war mit einer Leine an den Baum dort drüben gebunden. Ich glaube, er hat jämmerlich gefroren.« Der Mann runzelte bei der Erinnerung die Stirn. »Ich bin wieder rein und habe mir überlegt, was ich tun könnte. Ob ich die Polizei oder das Tierheim anrufen soll. Verstehen Sie, ich dachte, er sei ausgesetzt worden. Aber dann wurde es plötzlich wieder still, und als ich noch mal auf den Balkon ging, war der Hund verschwunden.«
»Obba gseng hams kann, der nan ghold hod, gell?«
Der Alte schüttelte den Kopf. »Er war einfach verschwunden.«
Saskia notierte eine Beschreibung des Tiers und wann es gebellt hatte. Auch wenn sie nicht an die Wichtigkeit des Hinweises glaubte, musste ihm nachgegangen werden.
Im Treppenhaus wartete sie auf Stellfeldt. Es dauerte fast eine Viertelstunde, bis er aus einer Wohnung im Stockwerk unter ihr kam.
Ihm war es bei seinen Befragungen ganz ähnlich ergangen. Hätte er all die angebotenen Tassen Kaffee oder Tee angenommen, wäre er gut und gern auf mehrere Kannen gekommen. Er hätte Wünnenberg die Befragung überlassen sollen, der hätte wenigstens den Kaffee zu schätzen gewusst! Brauchbare Informationen hatten die Mieter indes nicht beigesteuert. Das einzig Bemerkenswerte, das Stellfeldt bislang herausgefunden hatte, war, wie wenig Aufsehen ein abgestelltes Wohnmobil in diesem Stadtteil erregte. Wegen des Recyclinghofs seien häufig solche Fahrzeuge vor dem Haus anzutreffen, hatte ihm eine junge Mutter erklärt. In ihnen hausten die Polen, die jeden Tag aufs Neue entlang der Zufahrtsstraße zum Annahmeplatz warteten und Autofahrer in der Hoffnung anhielten, verwertbare Geräte zu ergattern. Damit standen die Chancen denkbar schlecht, jemanden zu finden, der eine genaue Beschreibung des gesuchten Caravans liefern konnte.
Saskia erzählte Stellfeldt von ihrer Unterhaltung mit dem Rentner. Gemeinsam stiegen sie ins Erdgeschoss hinunter und traten vor die Tür. Während sie einem Trampelpfad folgten, der um das Haus herumführte, setzte Stellfeldt eine blaue Strickmütze auf, um seine Glatze gegen die Kälte zu schützen. Sein ovaler Kopf ähnelte nun stark einem Osterei. Saskia schaffte es nur mit knapper Not, sich ein Grinsen zu verkneifen.
Das Wäldchen entpuppte sich als viel unübersichtlicher, als es von der Höhe des Balkons aus gewirkt hatte. Saskia versuchte sich am Gebäude zu orientieren, was wegen seines Schachtelbaus nicht leicht war. Stück für Stück arbeiteten sie sich gemeinsam voran. Als sie schließlich den richtigen Baum fanden, bemerkte Stellfeldt Rinde, die am unteren Teil des Stammes frisch abgerieben war. Daneben lag ein zusammengeknülltes, durchweichtes Taschentuch im Schnee. Ein paar Schritte entfernt stießen sie auf ein weiteres. Beide hoben sich durch ihre dunkelrote Färbung vom weißen Untergrund ab. Auch das Jammern des Hundes konnten sie nun nachvollziehen. Das Tier hatte offenbar an
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