Hackenholt 06 - Reichskleinodien
sollmer edzdann nåch Ihrer Meinung vuurgäih?«, fragte Baumann. 15
»So wie immer. Sie sehen doch: Selbst wenn Sie die eigentlichen Täter fassen, die den Raub ausgeführt und die Tötungsdelikte begangen haben, ist es sehr unwahrscheinlich, dass wir gleichzeitig das Kunstwerk zurückbekommen, und umgekehrt verhält es sich genauso. Deswegen machen Sie alles wie immer – und um die Insignie kümmere ich mich.«
Hackenholt sollte die vorgeschlagene Aufteilung recht sein. Damit es sich im letzten Moment nicht noch jemand anders überlegen konnte und er wider Erwarten doch an der Pressekonferenz teilnehmen musste, machte er sich gleich nach der Besprechung mit Wünnenberg auf den Weg zu der Zeugin, die Förster und Graef – dessen Gesundheitszustand unverändert kritisch war – am Vortag gefunden hatte. Sie war mittlerweile aus der Klinik entlassen worden.
Obwohl Magda Geiger von sich behauptete, normalerweise werfe sie so schnell nichts aus der Bahn, merkte man ihr immer noch die tiefe Erschütterung an, die der grausige Fund ausgelöst hatte. Hackenholt versuchte mit allergrößter Bedachtsamkeit vorzugehen und legte jedes Wort auf die Goldwaage.
Frau Geiger erzählte, wie sie mit ihren Hunden, einem Labrador und einem Schäferhundmischling, ihren üblichen langen Spaziergang durch den Wald gemacht hatte. Als Rentnerin achtete sie darauf, jeden Tag mindestens fünf Kilometer zu laufen. Alles war wie immer: Ihr fiel nichts auf, sie hörte nichts und begegnete auch niemandem, bis sie plötzlich in einiger Entfernung an der Kreuzung im Wald den Audi stehen sah.
»Ich habe mich zwar gewundert, was ein Auto im Wald zu suchen hat, aber dann dachte ich mir, dass es dem Förster gehört.«
»Angst hatten Sie keine?«, fragte Hackenholt.
»Nein, ich hatte ja meine Hunde dabei.«
Die fingen dann auch plötzlich zu bellen an und zerrten an ihren Leinen. Und schon war Frau Geiger bei dem Wagen und sah den Mann auf dem Fahrersitz. Ab dem Moment war es mit ihrer Gelassenheit aus. Nachdem sie die Hunde von dem Auto weggezerrt hatte, sah sie den zweiten Mann auf dem Boden liegen. Da sie die fehlende Gesichtshälfte des Fahrers bemerkt hatte und sich der Mann auf dem Boden trotz des Gebells, das die Hunde von sich gaben, nicht rührte, war sie davon überzeugt, er müsste ebenfalls tot sein. Überprüfen wollte sie es nicht, denn inzwischen hatte sie Angst. Deswegen lief sie so schnell wie möglich zum nahen Waldrand und wählte den Notruf – im Wald hatte ihr Handy keinen Empfang gehabt.
»Danach habe ich auf die Streife gewartet. Die war ganz schnell da. Ich zeigte den beiden Beamten die Richtung, und als der Rettungswagen und der Notarzt kamen, habe ich sie ebenfalls an die Stelle geschickt.« Ihre Hände wurden beim Erzählen immer rastloser. Plötzlich schimmerten Tränen in ihren Augen.
Irgendwie musste sie in all dem Chaos aufgeschnappt haben, dass einer der Männer noch lebte. Dabei sah sie ständig das weggerissene Gesicht vor sich. Erst als eine junge Beamtin sie ansprach, bemerkte sie, dass sie zitterte und ihr schlecht war. Sekundenbruchteile später wurde ihr auch schon schwarz vor Augen.
»Als ich aufgewacht bin, lag ich in einem Rettungswagen. Ich kam ins Klinikum, meine Hunde ins Tierheim. Dort hat mein Sohn sie so schnell es ging abgeholt. Eigentlich dachte ich, ich wäre wieder fit, aber leider habe ich bisher keine Lust, einen Spaziergang zu unternehmen.« Ihre Stimme wurde zu einem leisen Murmeln. »Seit ich weiß, dass ich einem Schwerverletzten keine Erste Hilfe geleistet habe … Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich schäme. Ich habe mich völlig falsch verhalten.«
Zumindest in dem Punkt gelang es Hackenholt, sie zu beruhigen. Was hätte sie Besseres tun können, als schnellstmöglich Hilfe zu holen?
Kaum hatten die Beamten ihre Dienststelle betreten, merkte Hackenholt, dass etwas nicht stimmte. Baumann fixierte starr ihren Bildschirm und tippte angestrengt auf der Tastatur herum, wohingegen Stellfeldt bei ihrem Eintreten nicht von dem Aktenordner vor ihm aufblickte, sondern stattdessen, ohne hinzusehen, nach seinem Telefonhörer griff.
»Was ist denn hier los?« Hackenholts Stimme ließ beide Ermittler erleichtert aufatmen und sich ihm zuwenden.
»Reinkommen und Tür zumachen!«, befahl Stellfeldt mit gedämpfter Stimme.
Hackenholt zog die Augenbrauen fragend nach oben, folgte aber der Anweisung.
»Lass mich raten, der Bauer … äh … Bayer hat sich während der
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