Hackenholt 06 - Reichskleinodien
»Das ergibt überhaupt keinen Sinn.«
»Wie spät war es, als das letzte Signal empfangen wurde?«, versuchte Wünnenberg das Problem von einem anderen Ansatz her zu lösen.
Stellfeldt blätterte in einem Stapel Ausdrucke. »Neun Uhr sieben.«
»Um acht Uhr achtundvierzig sind sie am Museum losgefahren«, sinnierte Hackenholt. »Oder zumindest wurde ihnen zu der Uhrzeit die Insignie übergeben.«
Wieder sah Stellfeldt auf seine Liste. »Sie müssen ein, zwei Minuten später gestartet sein. Die Handys haben sich um acht Uhr zweiundfünfzig in eine andere Zelle eingeloggt.«
»Nachdem sie bestimmt nicht auf der Autobahn überfallen wurden, müssen die Täter ihnen irgendwo zwischen dem Museum und An den Rampen aufgelauert haben«, sagte Mur bestimmt.
»Die gesamte Strecke ist insbesondere am Morgen stark befahren«, stellte Hackenholt fest. »Wenn wir damit an die Öffentlichkeit gehen, finden wir mit Sicherheit jemand, dem etwas aufgefallen ist.«
Stellfeldt stimmte ihm zu.
»Und dann sollten wir noch einmal mit Dr. Drosthoff sprechen. Wir müssen die Auswahlkriterien für die Transportfirmen erfahren – oder Sicherheitsfirmen, wie er sie nannte. Wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass er jemals den Sitz von Dippold-Transporte in Augenschein genommen hat. Außerdem müssen wir wissen, wann und wie festgelegt wurde, welches Unternehmen welches Exponat fahren sollte.«
»Dem Zufall können sie es jedenfalls nicht überlassen haben. Schließlich mussten die Firmen die Rückführungen vorher mit ihren Versicherungen abklären«, wandte Stellfeldt ein.
»Da hast du recht«, stimmte Hackenholt zu.
»Und diesen Norbert Beck würde ich mir ebenfalls gerne noch einmal etwas genauer anschauen, so nervös wie der gestern war. Also, auf in feindliche Gefilde. Bringen wir es hinter uns. Welches Zimmer habt ihr Theo Winter zugewiesen?«, fragte Wünnenberg.
»Des Vernehmungszimmerla ganz hindn am Gang.« 19 Baumann verzog kein Gesicht.
»Die Abstellkammer, in der man sich kaum umdrehen kann?«, fragte Hackenholt ungläubig.
Baumann nickte unbeeindruckt.
»Du musst das so sehen, Frank: Dort hat er nicht nur ein eigenes Telefon und einen eigenen PC , sondern auch seine Ruhe. Er muss schrecklich viel organisieren. Das geht doch nicht, wenn wir ihn zu einem von uns mit ins Büro gequetscht hätten.«
Hackenholt kannte den treuherzigen Ausdruck, mit dem Stellfeldt das sagte, nur zu gut. Der ältere Kollege war bekennender Franke – wahrscheinlich verstand er sich deswegen so gut mit Saskia –, und ein Münchner war nun mal das angeborene Feindbild. Dafür konnte er nichts; Hackenholt irritierte nur, dass diese Denkweise allmählich auf ihn abfärbte. Andererseits: Was aus München kam, war in dienstlicher Hinsicht meistens wirklich nicht … Er wandte sich gerade ab, als Stellfeldt ihn zurückhielt.
»Wie hast du dir das eigentlich mit heute Abend vorgestellt?«
»Was ist da?«
»Einer von uns muss sich um Theo kümmern, sofern wir es dem Chef nicht noch schmackhaft machen können.«
»Hat Theo gesagt, er bleibt hier?«
»Ja. Übernimmst du das Sightseeing-Programm freiwillig, oder sollen wir Streichhölzchen ziehen? Ralph und ich könnten dir natürlich auch eine Tour ausarbeiten, um ihm unsere Sehenswürdigkeiten näherzubringen.«
Wünnenberg grinste. »Die Luitpoldstraße wäre zum Beispiel ein netter Anfang, oder?«
»Wieso? Willst du mit ihm ins Neue Museum?«, fragte Mur betont lässig. Dabei war jedem der Anwesenden klar, dass Wünnenberg die einschlägigen Etablissements in der Straße gemeint hatte.
»Ihr habt mich überzeugt.« Hackenholt hielt in einer kapitulierenden Geste die Hände hoch. »Ich kümmere mich um ihn.«
»Då werdsi däi Soffi obber gwiess freier, wennsderern Bayern ins Haus schlebbsd!« 20
Bevor noch mehr dumme Kommentare geäußert werden konnten, öffnete Hackenholt die Tür und schlüpfte hinaus.
Theo Winter saß in seinem winzigen Büro und telefonierte, als Hackenholt zu ihm kam. Von Dr. Drosthoff war weit und breit nichts zu sehen. Nachdem der LKA -Mann sein Gespräch beendet hatte, gab er seine Version der Pressekonferenz zum Besten und betonte, Hackenholt solle diesen Ausstellungsleiter ein bisschen genauer unter die Lupe nehmen, da er seine Arbeit offenbar sehr lax handhabe. Anscheinend gab es nun nämlich auch noch Probleme mit der Versicherung. Zumindest hatte Dr. Drosthoff einen Anruf vom Direktor des Museums erhalten, der ihn umgehend zurückbeorderte, da Fragen
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