Hackschnitzel
Geduld haben«, raubte der Kommissar ihm die Illusion, bald mit den Skiern im Kofferraum an den Arlberg zu fahren und dort nach James-Bond-Manier auf den Pisten das Verbrechen zu bekämpfen. Die Haushaltsabteilung würde eine so weite Reise ohnehin nicht genehmigen.
Die Scheiben des XM hatten sich während des Telefonats von innen beschlagen. Lindt startete den Motor, drehte die Lüftung voll auf und schaltete die Klimaanlage an, um die Feuchtigkeit aus dem Wagen zu bekommen. Als die Sicht einigermaßen frei war, rückte er den Wählhebel der Automatik auf D und setzte den Blinker, um auszuparken.
Irgendetwas hielt ihn zurück. Ein Gefühl? Eine Ahnung? Nein, nicht ins Präsidium.
Manchmal hatten auch spontane Ideen etwas für sich ...
Er verließ Rüppurr und erreichte schnell das Industriegebiet von Ettlingen. Freundlich grüßend ging er an den beiden verdutzten Empfangsdamen vorbei, durchquerte die großzügige Eingangshalle von ›Langenbach‹ und ließ sich in einem der in glänzendem Edelstahl gehaltenen Aufzüge ganz nach oben tragen. Zweifellos war seine Ankunft schon gemeldet worden, denn der Chef selbst kam ihm bereits entgegen.
Sein Lächeln mutete etwas unsicher an, aber dennoch streckte der Bauunternehmer dem Kriminalkommissar die Rechte entgegen und begrüßte ihn mit gewohnter Herzlichkeit.
»Was können wir noch für Sie tun, Herr Lindt? Ach, vielleicht haben Sie den Mörder ja auch schon geschnappt?«
»Leider, leider, so weit sind wir noch nicht. Nein, ich habe nur einen Wunsch.« Er zeigte auf die verschlossene Tür von Konrad Finks Büro.
»Sie möchten da drin noch weitersuchen?« Zweifelnd schaute ihn Langenbach an.
»Nein, nein, das machen unsere Kriminaltechniker besser als ich. Es mag Ihnen vielleicht merkwürdig vorkommen, aber ich wäre ganz gerne mal eine Weile alleine in dem Raum, wo Fink einen Großteil seiner Zeit verbracht hat.«
Langenbachs Gesichtsausdruck entspannte sich wieder. »Wenn’s weiter nichts ist.« Er öffnete dem Kommissar die Tür: »Bitte, nehmen Sie Platz, bleiben Sie so lange Sie möchten, Kaffee kommt sofort«, er zwinkerte, »und ein Aschenbecher selbstverständlich auch.«
Lindt wollte halbherzig etwas entgegnen, doch Langenbach machte eine abwehrende Handbewegung: »Nein, nein, Sie können Ihre Pfeife ruhig anzünden, daran stört sich hier niemand. Sie haben doch sicherlich einen aromatischen Tabak dabei?«
Seit Lindt als stadtbekannte Persönlichkeit einmal vom Karlsruher ›Tagesspiegel‹ porträtiert und mit Pfeife fotografiert worden war, erwartete die Öffentlichkeit geradezu von ihm, dass er qualmenderweise der Arbeit nachging. Es verwunderte ihn also nicht, dass der Bauunternehmer von seiner Leidenschaft wusste.
Er nahm in Finks vornehmem, mit schwarzem Leder bezogenem Bürosessel Platz, stellte die Wippmechanik so ein, dass er sich bequem zurücklehnen konnte, dankte Langenbachs persönlicher Sekretärin für eine Designerkanne voll starkem Kaffee, bat noch um eine Extraportion Milch und bekam vom Chef selbst einen massiv silbernen Zigarrenascher auf den Tisch gestellt.
»Conny hat ja nicht geraucht, aber in meinem Büro riecht es ab und zu mal nach einer guten Zigarre.«
Lindt dankte, räumte drei Pfeifen, Tabaksdose, Streichhölzer und Stopfer aus den vielen tiefen Taschen seiner Winterjacke, die er dann sorgsam auf einen Edelstahl-Bügel hängte, schloss die Tür des Zimmers, öffnete das Fenster einen Spalt breit und setzte sich wieder, um hingebungsvoll mit dem Stopfen einer ziemlich voluminösen, gelblichen, geraden Pfeife zu beginnen.
Großflächige Glasscheiben begrenzten das Büro zum Gang hin und der Kommissar wunderte sich, wie viele Mitarbeiter doch auf der Chefetage zu tun hatten. Es schien sich schnell in der Baufirma herumgesprochen zu haben, dass der Leiter der Karlsruher Mordkommission gekommen war, um es sich hinter dem Schreibtisch des Ermordeten gemütlich zu machen. Praktisch jede und jeder, die vorüberkamen, trugen, um geschäftig zu wirken, irgendwelche Aktenordner mit sich herum, aber niemand ging vorbei, ohne nicht wenigstens einen kurzen, auffällig unauffälligen Blick in Richtung des breit und massig dasitzenden Hauptkommissars Oskar Lindt zu werfen.
Mit der Handkante wischte er ein paar beim Stopfen herausgefallene Tabakskrümel von der schwarzen, echt rindsledernen Schreibunterlage wieder zurück in seine alte verbeulte Navy-Flake-Dose, nahm noch einen großen Schluck vom mit viel Milch
Weitere Kostenlose Bücher