Hackschnitzel
versetzten Kaffee, lehnte sich genüsslich zurück und riss ein Streichholz an.
Über eine Stunde saß er so da, rauchte, bewegte sich kaum, stopfte ab und zu nach, nahm vom Kaffee, der inzwischen so weit abgekühlt war, wie er ihn gerne trank, schaute halb dösend, fast schläfrig im Büro umher und bemühte sich, nicht auf die Zuschauer zu achten, die ihn im Vorbeigehen durch die Scheiben betrachteten.
Er war sich sicher, dass auch Langenbach, obwohl er selbst nicht vorbeischaute, ab und zu einen seiner Mitarbeiter nach dem Kommissar fragte, der mit verschränkten Armen dasaß und mit zufriedenem Gesichtsausdruck blaue, duftende Wölkchen in die Luft blies.
Obwohl er das Fenster etwas geöffnet hatte, bildete sich bald ein regelrechter Nebel in dem Raum, der für zwanzig Jahre Konrad Finks Büro gewesen war. Waagerecht wabernd zogen die Schwaden umher, bis sie endlich ihren Weg durch den Spalt nach draußen gefunden hatten. Lindt war sich sicher, dass der Duft auch auf den Gängen der gesamten obersten Etage zu riechen war. Er lächelte: Ein zusätzliches Lockmittel, das Zuschauer anzog.
Durch diesen Schleier nahm er die Atmosphäre des Raumes in sich auf. Es waren nicht die Einzelheiten, die ihn interessierten. Den nüchtern-sachlichen Stil aus Schwarz, Weiß und Edelstahl kannte er ja schon aus Finks Wohnung. Nein, der Kaufmann, der Buchhalter hatte dieses Büro geprägt, in ihm unzählige Tage, Wochen, ja Jahre seines Lebens verbracht, Statistiken und Bilanzen erstellt, Abrechnungen kontrolliert, Geldbeträge eingenommen und ausgegeben, sich durch Steuervorschriften gekämpft und über Investitionen nachgedacht.
Der Mann hatte diesem Raum seinen Stempel aufgedrückt und genau diesen Abdruck versuchte der Kriminalist nun auch zu erspüren, ja regelrecht in sich aufzusaugen.
In zweieinhalb Stunden und ebenso vielen Pfeifen stand Lindt nicht auf und bewegte sich kaum – nur den Kopf, den er ab und zu drehte und die Hände, die nach Tabak oder Kaffeetasse griffen – sonst schien er völlig unbeweglich.
Man hätte ihn durchaus für träge halten können, doch plötzlich zuckte er wie elektrisiert zusammen.
In der Brusttasche seines Hemdes vibrierte es. Umständlich fingerte er das Handy heraus. Er hatte den Klingelton abgeschaltet.
Das Display zeigte keine Nummer.
»Ich muss Sie dringend sprechen«, hörte Lindt eine gedämpfte Frauenstimme.
»Wieso?«
»Sage ich Ihnen lieber persönlich.«
»Wann?«
»Um acht heute Abend?«
»Wo?«
»Kennen Sie das Zollhaus am Rhein bei Neuburgweier?«
»An der Fähre?«
»Ja, können Sie kommen? Es ist wirklich sehr wichtig!«
»Ich bin dort.« Er überlegte kurz: »Sind Sie hier aus der Firma?«
Klick – aufgelegt.
Der Kommissar warf einen Blick durch die Glasscheiben auf den Gang. Das Gespräch? Höchstens zehn Sekunden. Ob es jemand bemerkt hatte?
Er zuckte die Schultern – na, wenn schon – gehört hatte es sicherlich niemand.
Schwerfällig erhob er sich, öffnete das Fenster nun vollständig, um frische Luft in den verräucherten Raum zu lassen, kratzte seine drei Pfeifen aus, verstaute die Utensilien in der Jacke, trat auf den Gang und klopfte zwei Türen weiter, um sich bei Langenbach zu verabschieden. Er vergaß nicht, sich für den Kaffee zu bedanken, aber auf den fragenden Blick des Bauunternehmers hin zuckte er nur mit den Schultern.
»Das könnte aber auch eine Falle sein, Chef«, meldete Jan Sternberg seine Bedenken an, als Lindt knappe zwanzig Minuten später wieder im Präsidium ankam und berichtete.
Auch Paul Wellmann runzelte die Stirn: »Eine Frauenstimme? Anonym?«
Sternberg wurde eifrig: »Ich glaube, wir könnten die Anruferin trotzdem ermitteln. Ja doch, über die Telefongesellschaft.«
Lindt winkte ab: »Ich bin mir ziemlich sicher, dass es jemand aus der Baufirma war. Sicherlich kein Zufall – gerade, als ich es mir dort in Finks Büro gemütlich gemacht hatte.«
»Wir kommen natürlich mit, Chef!«
Der Kommissar schüttelte energisch den Kopf: »Auf keinen Fall, Jan. Ihr beide seid bei Langenbachs Belegschaft doch genauso bekannt wie ich. Nein, nein, vom Tonfall her hörte es sich nicht nach einer Falle, sondern mehr nach einem Tipp an, vertraulich eben und nicht da, wo jeder sieht, dass man mit der Kripo spricht.«
»Wir wären völlig unsichtbar«, versuchte es Sternberg noch einmal.
»Und wie soll das gehen? Draußen schneit es und heute Abend um acht hat es vielleicht zehn Grad unter Null? Wollt ihr da etwa eine
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