Hackschnitzel
wärmend ihren Weg in Oskar Lindts Kreislaufsystem und ehe er sich versah und die Situation im Ganzen begreifen konnte, lag er auf einer Trage und wurde von den Rettungsassistenten und seinen beiden Kollegen vom Rheindamm zum bereitstehenden RTW getragen.
»Puh, Oskar, das nächste Mal lassen wir dich aber liegen, bis du von selbst wieder gehen kannst. Meine Arme sind ein ganzes Stück länger geworden«, spielte Paul Wellmann auf das ansehnliche Gewicht seines Kollegen an, als der schließlich auf einem Rollwagen in der Notaufnahme des Städtischen Klinikums lag.
Lindt fühlte sich schon wieder bedeutend besser und setzte sich auf.
»Bin ich echt weggesackt?«
Wellmann nickte: »Der Kreislauf halt, der ging durch den Schreck eben in die Knie.«
»Jetzt sind die Werte wieder ganz okay«, verabschiedeten sich die beiden Sanitäter. »Aber der Arzt wird Sie sicherheitshalber nochmals durchchecken.«
»Mach dir keine Sorgen, Oskar. Carla kommt bestimmt auch gleich. Ich habe ihr schon Bescheid gesagt. Jetzt musst du dich erst mal erholen«, beruhigte ihn Paul Wellmann. »Jan und ich kümmern uns um den Fall, bis du wieder auf den Beinen bist.«
»Weißt du denn«, Lindt fuhr sich mit seiner immer noch leicht blutbefleckten Hand über die Stirn, wie wenn er die Gedanken wieder zusammensuchen wollte, »weißt du denn, was mit der Frau ist?«
Wellmann zuckte die Schultern. »Noch nichts Näheres, aber ich gehe nachher gleich mal nachfragen.«
Auch Barbara Steinle war ins Klinikum gebracht worden und im Moment kämpften ganze Heerscharen von Schwestern, Pflegern, Anästhesisten, Laborärzten, Gesichts- und Neurochirurgen um das Leben der zweifachen Mutter.
Wellmann erfuhr nichts, er wurde nur immer weiter vertröstet und entschied sich um ein Uhr nachts schließlich, nicht länger bei den zwischenzeitlich herbeigerufenen Angehörigen zu warten, sondern nach Hause zu gehen.
Zwei Kollegen von der Schutzpolizei wurden zur Sicherheit vor dem Operationsbereich postiert und hatten den unmissverständlichen Auftrag, bei wichtigen Veränderungen sofort anzurufen.
Oskar Lindt bekam von alledem nichts mehr mit, denn er schlief, ab und zu grässlich schnarchend, zu Hause im warmen Bett seinen Kreislaufkollaps vollends aus. Ein Internist hatte ihn noch eine knappe Stunde lang mit EKG und Sonografie in der Mangel gehabt, aber glücklicherweise nichts Weiteres finden können und so durfte Carla ihren Mann endlich mit nach Hause nehmen.
11
»Von Mädchen auf Rockkonzerten hat man so was ja schon gehört«, stichelte sie am nächsten Morgen gegen halb zehn am Frühstückstisch. »Doch dass jetzt auch schon ausgewachsene, alterfahrene, schwergewichtige und zu Bluthochdruck neigende Hauptkommissare plötzlich umkippen ...«
»Mach dich nur lustig über mich«, schmollte Oskar, stippte aber mit gutem Appetit ein frisches Croissant in seinen Milchkaffee. »Ich bin nur knapp dem Tod entronnen. Vielleicht hat der Schuss ja auch mir gegolten.«
»Das glaube ich jetzt wiederum nicht«, lächelte Carla. »Aber ein richtig guter Schütze war das wohl kaum.«
»Wieso?«, fragte Lindt verblüfft. »Wie willst du das denn beurteilen?«
»Ganz einfach, Jan hat gerade angerufen. Die Frau liegt zwar noch im Koma, aber sie ist außer Lebensgefahr. Das Geschoss hat ihren Kopf nur knapp gestreift, aber die Ohrmuschel abgerissen, sie hat eine große Fleischwunde, allerdings haben zwei Splitter oberhalb der Schläfe den Knochen durchschlagen. Zum Glück nicht weit. Die haben sie unbeschadet rausgeholt.«
Carla holte Luft: »Und das Ohr wurde auch wieder zusammengeflickt und angenäht!«
»Vielen Dank, Frau Doktor für diesen gerichtsmedizinischen Bericht!«
Er schloss die Augen und stellte sich nochmals vor, was sich auf dem Hochwasserdamm am Rhein ereignet hatte. Nur schwaches Licht und die Frau, Barbara Steinle, war mit dem Gesicht zu ihm, zum Fluss hin gestanden.
»Ja, das kann passen«, nickte er Carla zu und nahm sich noch ein Hörnchen. »Ein Streifschuss, unten vom Waldrand, von hinten, trifft die Ohrmuschel und schrammt über die Schläfe bis hier.«
Mit der Spitze des Croissants fuhr er vom Ohr aus an seinem Kopf entlang, seitlich nach oben bis zum Stirnbein.
»Und da«, er tippte auf die etwas herausragende, festere Knochenplatte, »da sind bestimmt die Splitter eingetreten.«
»Hmm«, nickte seine Frau, »das kann vielleicht sein, aber magst du das Hörnchen jetzt noch?«
Lindt warf einen kurzen Blick darauf, doch dann
Weitere Kostenlose Bücher