Hackschnitzel
tauchte er sein Frühstücksgebäck ungerührt wieder in den Milchkaffee und ließ es sich schmecken.
»Du scheinst dich ja schon gut erholt zu haben nach deiner kurzen Ohnmacht«, flachste Paul Wellmann, der zwischenzeitlich gekommen war, um seinen Kollegen abzuholen und zeigte auf den reich gedeckten Frühstückstisch.
»Ernsthaft krank«, zwinkerte Carla, »ernsthaft krank ist er nur, wenn es ihm mal richtig den Appetit verschlägt.«
»Wir wollen jetzt aber nicht gleich den Teufel an die Wand malen!« Lindt stand auf und zog seine Jacke an. »Komm, Paul, lass uns wieder da raus fahren. Mein Auto steht noch dort.«
Die Kriminaltechniker waren eifrig bei der Arbeit.
Wellmann zeigte nach vorne und lachte: »Ob es die da nicht friert?« Mit einer nur leicht bekleideten Schaufensterpuppe hatten die Kollegen die Position des Opfers nachgestellt und an der rechten Kopf-seite mit roter Farbe die Verletzung markiert.
»Das hier ist der Weg, den das Geschoss genommen hat.«
Ludwig Willms, der KTU-Chef, zeigte mit einem Kugelschreiber auf eine schwarze Linie inmitten des rot aufgemalten Blutes.
»So weit habe ich es beim Frühstück mit meinem Croissant auch schon rekonstruiert«, murmelte Lindt halblaut und zum Glück unverständlich vor sich hin, aber statt auf die fragenden Gesichter seiner Kollegen zu antworten, wollte er schnell wissen, woher das Geschoss denn gekommen war.
Willms zeigte auf einen gelben Markierungsstab direkt unten am Waldrand. »Entfernung genau 68,3 Meter«, las er aus seinem Notizblock vor. »Und das Geschoss ist jetzt«, er drehte sich um hundertachtzig Grad und wies mit dem ausgestreckten Arm weit über den Fluss, »vielleicht ... irgendwo dort drüben in der Pfalz. Die Kollegen suchen schon.«
Einige dunkelgrün gekleidete Gestalten waren jenseits des Rheins in der weißverschneiten Winterlandschaft zu erkennen.
Der KTU-Chef hob eine durchsichtige Plastiktüte gegen das Licht. Messingfarben glänzte darin eine längliche Patronenhülse. »Die haben wir heute Nacht dort unten am Waldrand gefunden. Ist dem Schützen wohl in der Aufregung aus der Hand gerutscht und im Schnee verschwunden. Kaliber 6,5x68, eine hochrasante Jagdpatrone, hauptsächlich für Schüsse auf weite Entfernungen. Auslandsjagd, Steppe, Gebirge oder so. Wir haben die genauen Tabellenwerte für die ballistische Kurve, also müssten wir das Geschoss eigentlich finden, außer ...«
Lindt und Wellmann schauten fragend. »Außer?«
»Ja, wenn ein Projektil natürlich stark deformiert ist, nach dem Aufprall auf ein Hindernis zum Beispiel, dann fliegt es nicht mehr so, wie die Rechenwerte angeben.«
»Klar, am Kopf der Frau kann es abgelenkt worden sein, oder es kam ins Trudeln«, nickte Paul Wellmann.
»Und dann fiel es vielleicht – plupp – in den Rhein ...«, ergänzte sein Kollege.
»Aber ohne Geschoss keine Zuordnung zu einer bestimmten Waffe. Jeder Lauf hinterlässt darauf sozusagen seine individuelle Visitenkarte. Nur damit lässt sich beweisen, aus welcher Waffe geschossen worden ist.«
»Hmm«, Oskar Lindt begann schon wieder zu frieren und kramte in den Jackentaschen, um seinen Tabakskocher in Betrieb zu setzen, »habt Ihr denn schon ein Gewehr gefunden?«
»Jan ist bereits dabei, die Behördendateien abzugleichen. Alle Jagdgewehre 6,5x68 im ganzen Landkreis Karlsruhe, das wird eine Zeit dauern. Obwohl, es ist kein gängiges Kaliber. Ein mittelbadischer Wald- und Wiesenjäger wird es sich kaum anschaffen.«
»Und wenn der Schütze aus der Pfalz kam, oder aus Rastatt, Pforzheim, Mannheim, vielleicht sogar aus dem Elsass?«
»Jetzt beruhige dich nur mal wieder, Oskar«, versuchte Ludwig Willms seinen langjährigen Kollegen zu beschwichtigen. »Du kennst doch den Jan, der hat schon oft den richtigen Riecher gehabt.«
Leider stimmte es dieses Mal ganz und gar nicht. Im Kreis Karlsruhe waren vierundfünfzig Repetierbüchsen vom Kaliber 6,5x68 aufgelistet, aber keiner der Besitzer schien auch nur ansatzweise mit dem aktuellen Fall in Verbindung zu stehen.
»Schade, kein Glückstreffer, Chef«, Jan Sternberg war deprimiert. »Soll ich auch die Nachbarlandkreise ...?«
»Es wäre zu schön gewesen, wenn einer, mit dem wir in den letzten Tagen zu tun hatten, tatsächlich eine solche Waffe in seinem Tresor gehabt hätte. Wir können diese Jagdgewehre sowieso erst dann für Vergleichsuntersuchungen einziehen, wenn die KTU das Geschoss hat. Vorher ist eine solche Aktion sinnlos.«
Auch die
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