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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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unserem Aufbruche hatte sich das Klima merklich verändert. Zwar waren die Tage immer noch heiß, aber die Abende empfingen uns bereits mit empfindlicher Kühle, und die Nächte fanden uns eingeschlagen in unsere Decken. Ich muß bemerken, daß Theobald Hirtreiter sich als ausdauernder Reiter und angenehmer Reisegenosse erwiesen hatte. Seine widerstandsfähigen Lederhosen bewahrten ihn vor den schlimmsten Folgen dauerhaften Reitens, und seine oft kindlichen Fragen oder Plaudereien, die unvermeidlich in Exkurse über die Kochkunst im allgemeinen sowie über den ehrwürdigen Herrn Rottenhöfer im besonderen mündeten, erheiterten mich im stillen. Nur gegenüber Winnetou hielt er ehrerbietigst Abstand, so daß keiner von uns Anlaß zu Klagen hatte. Ohne daß er sich bitten ließ, machte der Koch sich bei jeder Rast nützlich, und ich darf sagen, daß ich niemals zuvor und auch niemals mehr danach so gut gespeist habe wie in jener Zeit. Wann immer sich eine Gelegenheit bot, sprang er unterwegs von seiner Liesl, die, obgleich ein Wallach, mich an Sam Hawkens’ klappriges, aber höchst kraftvolles Maultier Mary erinnerte. Dann sammelte er Kräuter und Pflanzen, zusätzlich zu seiner Ausstattung an Spezereien. Sie halfen ihm, noch das einfachste Stück Fleisch in eine Delikatesse zu verwandeln, selbst im kalten Zustande.
Denn je weiter wir nun vordrangen, desto seltener durften wir es uns noch erlauben, Feuer zu brennen. Spätestens mit dem Bitter Creek, der sich in den Green River, unser erstes eigentliches Ziel, ergoß, erreichten wir Schoschonengebiet und hatten mehr denn je unsere Schritte zu wägen.
    Trotz fleißigen Spähens fanden sich bisher keinerlei Spuren anderer Reiter, schon gar nicht jener beiden, um deren Rettung es uns ging. Das bedeutet freilich nicht, daß wir uns etwa allein in dieser Gegend befunden hätten. Weil wir, wie gesagt, die Flußufer zu meiden hatten und auch niemals für längere Zeit einen geraden Weg einschlugen oder beibehielten, war es nicht ausgeschlossen, daß sich Reiter zu unserer Linken, hinter uns oder vor uns befanden, wie ja auch wir selbst offenbar unentdeckt geblieben waren.
    So kam es, daß gegen Abend, in den Ausläufern der dem Sweetwater River nachhängenden Hügellandschaft, Winnetou sein Pferd anhielt. Gewöhnlich ritt er uns ein Stück voraus, so auch heute. Tief beugte er sich von Iltschis Rumpf bis fast zum Boden hinab, stieg aber nicht gleich ab. Dies jedenfalls, um eine Spur, die er entdeckt hatte, nicht durch eigene Fußabdrücke zu zerstören. Angelegentlich forschte er in den Zeichen.
    Während wir nur langsam näher rückten, um seine Untersuchung nicht zu stören, richtete er sich wieder auf. Uns zur Warnung wies seine Hand querab, nach Südwesten. Meine und Hirtreiters Augen folgten dieser Blickrichtung.
    Und wirklich, eine Viertelmeile in unserer rechten Flanke sah man in einer Senke eine Gestalt dahintorkeln, quer über die Prärie! Es handelte sich um einen kleinen, weißbärtigen Menschen. Mal ging er ein paar Schritte nach vorn und schwenkte dabei nach der einen, mal nach der anderen Seite. Wann immer er die richtige Bahn gefunden zu haben schien, machte er aber wieder kehrt und stapfte um genau die gewonnene Entfernung wieder zurück. So kam es, daß binnen der wenigen Minuten, die wir uns diesem Schauspiel widmeten, jenes Männchen nicht einen Yard gewonnen hatte. Sein nutzloses Wandern wirkte um so drolliger, als es
dazu ein Liedchen krächzte, dessen Worte der beständig wehende, leichte Wind herübertrug:
    Yankee doodle went to town
Riding on a pony.
Stuck a feather in his hat
and called it maccaroni!
    Diese Melodie war allgemein bekannt. Selbst nach dem vor ein paar Jahren zu Ende gegangenen Sezessionskrieg sang man im Norden immer noch dieses Schlachtlied, während man es im Süden, der bekanntlich unterlegen war, dazu nutzte, ihm immer neue Spottverse über die Sieger beizugeben. Da hier die ursprünglichen Zeilen gesungen wurden, mußte es sich bei dem Kauz mit dem Bart um einen Yankee handeln, wie die einstigen Feinde des Südens bis heute genannt werden:
    Yankee doodle, keep it up,
Yankee doodle dandy.
Mind the music and the step
and with the girls be handy!
    Unablässig wiederholte der Dahinirrende diesen Refrain im Wechsel mit der einzigen Strophe, die er von dem Liede wohl nur kannte.
    Ich war nun neben Winnetou angelangt, wir tauschten Blicke. Es war allzu deutlich, daß hier jemand, trotz des Gegröles, Hilfe benötigte. Außer dem

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