Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
Vom Netzwerk:
im Dunkeln seinen Spürsinn erst richtig ausspielen konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Der Häuptling war noch nicht lange verschwunden, als mir zugleich ein Wink Hirtreiters sowie ein Seufzer zeigten, daß Everts erwacht war.
    »Seid Ihr es immer noch, Old Shatterhand?«
    »Schon die ganze Zeit, Mister Everts.«

    »Dann ist dies immer noch die gute alte Mutter Erde, noch nicht der Himmel?«
    »Schön, daß Ihr doch auf diesen hofft und Euch nicht vor dem Gegenteile fürchtet.«
    »Pah, die Hölle! Wollt Ihr Euch einen Augenblick lang zu mir setzen?«
    »Gern, Sir.«
    »Genug mit dem Sir, Mister reicht völlig! Am liebsten wäre es mir, Ihr nenntet mich einen Unglücksraben, noch besser einen Narren, denn alles habe ich falsch gemacht, was man in der Wildnis nur falsch machen kann!«
    Zu diesen sehr berechtigten Selbstvorwürfen sagte ich nichts, strich Everts aber über die Stirn, welche zu meiner Beruhigung keine Anzeichen von Fieber zeigte. Trotz seines Zustandes mußte er über enorme Widerstandskraft verfügen, und obwohl er, in der aufkommenden Dunkelheit sowie kurzsichtig wie ein Maulwurf, mein Gesicht nicht sehen konnte, spürte er meine Besorgnis. Jedenfalls zeigte sich auf seinem Munde ein Lächeln, diesmal kein böses, irrwitziges, wie bei unserem Zusammentreffen, sondern mehr eines der Erleichterung.
    »Hört, Old Shatterhand, daß ausgerechnet Ihr es wart, der mich gefunden hat, zusammen mit Winnetou, das allein ist für einen Zahlenschmied wie mich schon eine Freude. Daß Ihr mich zudem nicht einfach mit ein wenig Wegzehrung liegen laßt, das ist mehr als anständig. He, wer ist denn der da?«
    Erstmals hatte Everts bemerkt, daß noch jemand anderes um mich war. So sehr verwirrt war er zuvor gewesen, daß er jetzt Hirtreiter nicht erkannte, auf dessen Pferd er doch den Weg hierher zurückgelegt hatte.
    »Dieser Gentleman ist Mister Hirtreiter, einer der besten Köche meiner deutschen Heimat«, erklärte ich.
    »Deutscher seid Ihr?« wurde Everts vollends lebendig.
    »Man hat mich schon für alles mögliche gehalten«, lachte ich. »Für einen Engländer, einen Franzosen, auch für einen Österreicher.
Zuletzt …« Ich dachte an Hayes. »Zuletzt nannte man Old Shatterhand auch einen Dutchman, einen Holländer.«
    »Ein Deutscher, ein Holländer«, kaute Everts meine Worte nach, wie es wohl seine Art war. Ich wollte mich abwenden und ihn weiterschlafen lassen, doch seine Finger krallten sich in meine Hand.
    »Nicht so eilig, Old Shatterhand, Mann aus Deutschland! Ich will wissen, woran ich bin. In der Expedition bin ich der Älteste, hoch in den Fünfzigern. Man hat mich nicht gern mitgenommen; Leute wie ich sind gefürchtet, stehen aber nicht in hohem Ansehen. Dazu meine Ungeschicklichkeit – ich weiß nicht mehr, weshalb ich überhaupt auf mein Pferd gesprungen bin, war wohl ein Reflex. Zuvor war ich eingedöst. Auf einmal wurde ich wach, dunkel war es, und im Lager herrschte Lärm.«
    »Ihr seid überfallen worden?«
    »Mit Gewißheit kann ich es nicht sagen, aber vorgefallen ist etwas. Mir fehlt die Erinnerung. Und jetzt – nicht einmal Euer Gesicht kann ich richtig erkennen. Meine Gläser sind dahin, der einzige Ersatz befindet sich in meinen Satteltaschen, aber die sind verloren wie mein Pferd, und ich bin – ach – ach – – – «
    Everts weinte.
    Hatte zuvor meine Hand keinen Schweißtropfen auf seiner Stirn gefühlt, so wurde sie nun von Tränen benetzt – Tränen tiefstempfundenen Schmerzes.
    Mir kam ein Einfall. »Mister Everts, nun Ihr mir indirekt gesagt habt, wie ich über Euch nicht zu denken habe, drängt es mich, Euch umgekehrt um das gleiche zu ersuchen. Ihr wißt, daß ich über meine Erlebnisse schreibe, daß ich als Autor meinen Lebensunterhalt verdiene?«
    »Ich hab davon gehört«, sagte Everts, wieder gefaßt und auf das Weitere gespannt.
    »Dann wißt Ihr auch oder könnt Euch vielmehr denken, daß einem Schreiber nichts nötiger ist als sein Augenlicht. Stimmt Ihr mir da zu?«

    »Ja, aber – – – «
    »Deshalb, Mister Everts, führe ich, der bald dreißig wird, stets ein gewisses Sammelsurium mit mir. Dies für den Fall, daß ich eines Morgens aufwache und feststelle, daß meine Sehkraft nachzulassen beginnt. Der Schriftsteller mag sich ein wenig tiefer über das Papier beugen, doch was soll Old Shatterhand tun? Das Wild bitten, ein Stück näher zu kommen, oder den Feind ersuchen, sich gefälligst aus etwas größerer Nähe bezwingen zu

Weitere Kostenlose Bücher