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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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vorsichtig«, wandte ich ein. »Die meisten Indianer haben nur Waffen, die für den Nahkampf taugen, Pfeil und Bogen ausgenommen. Ihr aber und die meisten anderen Weißen habt ein Gewehr, das viel weiter trägt, Euch also ihnen überlegen macht. Womöglich ist es klug, mitunter für feige gehalten zu werden.«
    »Old Shatterhand, lassen wir das Disputieren, ich will Eure Gefühle nicht verletzen. Winnetou habe ich natürlich nicht gemeint mit dem, was ich eben gesagt habe. Er ist, wie mir berichtet wird und wie ich bald selbst zu sehen hoffe, ein ganzer Kerl. Man sagt, er trage an seinem Gürtel keines einzigen Menschen Skalp, ja, er töte überhaupt nur, wenn ihm keine andere Wahl bleibe. Was sind gegen ihn alle anderen Indianer? In den Siedlungen und Reservaten könnt Ihr sie sehen: krummgebeugte, kriecherische Gestalten. Anstatt Federn tragen sie Hüte, und ihr Haar ist kurzgeschoren, des Ungeziefers auf ihrem Kopf und in ihrer Kleidung wegen. Sogar die Lendenschurze haben sie mit Hosen und Jacken vertauscht, die ihnen entweder zu weit sind oder zu kurz am Körper hängen, weil sie nicht auf Eleganz halten. Ihr Schuhzeug tauschen
sie untereinander, aber der eine trägt zwei linke, der andere zwei rechte Schuhe, und die Farben kommen durcheinander. Den ganzen Tag über lungern sie bald in dieser Ecke, bald in jener; ein paar Schritte auf und ab, mehr tun sie nicht, und doch sehen sie allesamt aus wie Kulis nach der schwersten Arbeit. Vom Morgen an kreist bei ihnen die Flasche, und der Rauch ihrer Pfeifen schläfert sie ein – wißt Ihr, mein ›Yankee Doodle‹ mag nicht der allerfeinste Kunstgenuß sein, aber habt Ihr schon einmal dies stumpfe Pack singen hören? Nein, das sind keine Kämpfer oder Jäger mehr, kaum daß man noch von Menschen sprechen mag, so sehr vertiert sind diese Roten. Wie könnt Ihr da denken, mit Euren Brillen ein Geschäft zu machen; wie könnt Ihr glauben, von diesem Gesindel auch nur einen einzigen Cent zu erlösen?«
    Das war allerdings ein Mißverständnis: Everts, der Steuereintreiber, konnte sich nicht vorstellen, daß ein Mensch einem anderen, gar ein Weißer einem Roten, einen Gegenstand ohne Bezahlung überließ. Es war aber weniger dieser Irrtum als vielmehr der Ton, in welchem der aus höchster Not Gerettete abermals mit mir sprach. Dessen ungeachtet packte ich die erste meiner Brillen aus und setzte sie ihm auf die verbrannte Nase, denn was ich verspreche, halte ich auch. Nur kam ich nicht umhin, Everts zu sagen:
    »Krumm und kriecherisch nennt Ihr die Indianer in den Reservaten? Stumpf und elend dünken sie Euch – wie kommt das nur? Eure Kopfhaut, Mister Everts, Euer Skalp ist nach Eurem Herumirren ziemlich verbrannt, aber doch immer noch an Ort und Stelle. Habt Ihr denn jemals schlechte Erfahrungen mit Indianern gemacht?«
    Everts streifte sich die erste meiner Brillen ab, welche wohl zu schwach war, damit im Licht von Mond und Sternen schon etwas zu erkennen. Dafür nahm er mir gleich das ganze Päckchen aus der Hand, in welchem ich die Gläser verwahrte, und bediente sich tastend selbst an meinem Vorrat. Eine zweite Brille versuchte er, eine dritte, und dabei sagte er:
    »Hat nie was getaugt, das Indianerzeug! Ich brauche keinen
Roten zu kennen, um zu wissen, daß keiner etwas taugt. Den Süden beschäftigt immer noch der Schwarze, den Norden zunehmend der Rote. Aber, Old Shatterhand, fragt Euch einmal, was Washburn wirklich am Yellowstone will. Nein, wartet; ich sage es Euch, weil Ihr so freundlich zu mir seid. Die Geysire will er ausfindig machen, die Wasserspeier, und ihnen Schutz vor den Menschen bieten  – doch jedenfalls den weißen Menschen vor den roten! Was wüßten sie schon anzufangen mit dem Reichtum, den die Natur ihnen gegeben hat? Das Kupfer aus dem Felsen schlagen, womit beispielsweise Mister Hayes sich beschäftigt, oder Gold, Silber, Zink und Eisen, das könnte den Indianern doch genauso möglich sein wie uns. Aber sie sind zu faul, zu dumm, zu träge dafür. Wartet, ich probiere auch noch diese! «
    Nacheinander hielt Everts sich eine jede Brille aus meinem Vorrat vor die leeren Augen, kaum daß er sich die Zeit nahm, sie überhaupt aufzusetzen. Schweigend gesellte sich Hirtreiter zu mir; er hatte uns zugehört. Sein Gesicht brauchte ich nicht zu sehen, um zu spüren, wie sich darin Unmut breitmachte.
    Auf einmal wandte Everts den Kopf erst zu mir, dann zu Hirtreiter. Er schien unsere Züge gut genug zu erkennen, denn er rief:
    »Diese Gläser sind

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