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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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hart, aber verständlich, denn auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil.
    Der Alte, kaum erholt, mit nicht mehr Habseligkeiten als seiner zerrissenen Kleidung am Leibe, machte Anstalten, sich zu trollen. Jedoch rief ich ihm nach, er solle stehenbleiben, und er tat es. Nicht wenig gute Worte kostete es mich, Winnetou davon zu
überzeugen, daß Everts ohne unsere Hilfe verloren sei. Wie hätten wir ihn zurücklassen dürfen, nun wir ihn einmal gerettet hatten? Man mag mich töricht für so viel Rücksichtnahme nennen, aber ich tat, was mein Gewissen mir auftrug, und das hieß, Winnetou zu bitten, Everts bei uns zu behalten, bis wir auf die Expedition stoßen würden. Über einen Punkt ließ Winnetou nicht mit sich handeln: Auf seinem Iltschi würde der Indianerfeind nicht zu sitzen kommen. Weil Hirtreiter zwar ein passabler Reiter war, aber auf Dauer mit einem zusätzlichen Manne auf seinem Pferd nicht zurechtkommen würde, blieb mir am nächsten Morgen nichts anderes übrig, als abwechselnd doch den Uneinsichtigen hinter mich, auf den Rücken Hatatitlas, zu nehmen. Was immer er gesagt hatte, wäre durch eine aufrichtige Entschuldigung aus der Welt zu schaffen gewesen. Doch eine solche unterblieb.
    Wenn ich zuvor sagte, daß ich selten so viel Undank erlebt hätte, muß ich hinzufügen, daß sich schon in Kürze zeigen sollte, wie sehr eine jede Tat, ob gut oder schlecht, den Keim bedeutsamer Auswirkungen in sich trägt. Zunächst aber gebot ich Everts, sich an mir festzuhalten. Dann folgten wir zusammen mit Hirtreiter der Fährte Winnetous. Er hatte nach mir Wache gehalten und war, um Everts’ nicht mehr ansichtig zu werden, gleich bei der Dämmerung vorausgeritten.

    Die Rettung unseres neuen unangenehmen Begleiters bedeutete für uns einen Rückschlag. An ein zügiges Vorankommen war nicht mehr zu denken, weil wir nun zu viert waren, aber nur über drei Pferde verfügten; überdies war Everts angeschlagen, den Strapazen eines schnellen Rittes, gar Galopps, durften wir ihn nicht aussetzen.
    Ein Weiteres beunruhigte mich: Washburn hatte offenbar seine Pläne geändert. Anstatt von Cheyenne aus die Eisenbahn nach Laramie zu nehmen und von dort zu Pferde dem Verlauf des South beziehungsweise North Fork River zu folgen, um bereits auf dieser Etappe den Weg zum Yellowstone zu kartieren und sich dann mit
uns etwa auf Höhe des Ocean Lake zu vereinen, mußte er den gleichen Weg eingeschlagen haben wie wir. Dennoch waren wir einander nicht begegnet. Auch hatte er ein weit höheres Tempo vorgelegt. Wenn Everts, wie er behauptete, Tage und Nächte umhergeirrt war, bedeutete dies, daß man bereits um dieselbe Spanne diese Gegend passiert hatte – warum? Weshalb ließ Washburn schon jetzt die Pferde zuschanden reiten? Auf Ersatz war unterwegs nicht zu hoffen.
    Noch weniger verstand ich, weshalb er nicht gründlich nach dem Vermißten hatte suchen lassen. Weit war Everts nicht gekommen – wieso hatte man ihn sozusagen preisgegeben? Ich konnte ihn nicht ausstehen, aber er war ein in Not geratener Mensch und im übrigen tatsächlich ein wichtiger Teil der Expedition. 58
    Unterwegs tauschte ich mich mit Winnetou aus. Wir waren einer Meinung: Gleichzeitig mit Everts’ Verschwinden mußte die Abteilung in Gefahr geraten sein; vielleicht war das Scheuen seines Pferdes die Folge eines Überfalls. Dafür kamen in erster Linie Indianer in Frage – die von Hayes aufgestachelten Schoschonen?
    In der folgenden Nacht schlief ich schlecht.
    Dies war nicht allein deren Kürze beziehungsweise dem Umstand geschuldet, daß ich mir ja die Wache mit Winnetou teilte, schließlich durften wir Hirtreiter und erst recht Everts nicht mit dieser überlebenswichtigen Aufgabe betrauen. Nein, ich befand mich weiterhin in einer eigentümlichen Verfassung. Noch hatte sich keine passende Gelegenheit gefunden, mit Winnetou über Hayes und seine Ähnlichkeit mit mir zu sprechen. Diese mußte auch ihm aufgefallen sein, als er jenen in Cheyenne durch das Fenster beobachtet hatte. Aber so war Winnetou: Nie drang er auf ein Gespräch; er wußte am besten, daß manche Dinge sich erst in der Stille entfalteten.
    Hayes also war das eine.

    Das andere waren meine Gedanken an die beiden Fremden, denen wir nun schon einige Zeit folgten, ohne bisher Spuren entdeckt zu haben. Dieser Umstand beunruhigte mich nicht; jederzeit konnten wir auf erste Anzeichen ihres Passierens stoßen. Vielleicht ist der Begriff Beunruhigung nicht der zutreffende, weshalb ich lieber

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