Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
ich stolz auf Halef zeigte, um seinen frischen Ruhm zu mehren. Ich tat einfach so, als wäre es das Selbstverständlichste, daß sich ein bislang Unbekannter in die Verhandlungen mengte, und darum sagte ich:
»Old Shatterhand dankt Donnerwolke und seinen Kriegern, daß sie den Großmut besitzen, einem ihrer Gefangenen das Wort zu geben. Ihr habt selbst gehört, daß er noch nicht lange hier ist und deshalb schwerlich eure Gebräuche kennt. Aber in vielem, was er gesagt hat, steckt Wahrheit, sogar Weisheit. Ich bitte euch in der Tat, die beiden Männer neben mir zu verschonen. Sie sind harmlos und haben euch nichts getan. Im übrigen bin ich zu jedem Kampfe bereit, sei es mit dem Messer, den Fäusten, womit auch immer. Wenn man mir freilich die Gelegenheit gibt, gegen Ma-ta-weh auf dem Felde der Heilkunst anzutreten, so erbitte ich mir von euch einen Mann, dem mein Sieg am meisten zustatten käme – Scha-na-tse.«
Erregtes Gemurmel quittierte meine Worte. Der Stamm teilte
sich offenbar in zwei Hälften. Die einen wollten sich nicht um das Spektakel einer schönen Quälerei bringen lassen, die anderen entzückte der Gedanke, daß ausgerechnet an ihrem Medizinmanne ein Wunder vollbracht werden solle. Es konnte ja dabei kein Gemauschel geben. Scha-na-tse würde wieder sehen können oder eben nicht – könnte ich das bewirken? Mein gesamtes Gepäck hatte sich Donnerwolke einverleibt; er hatte davon gesprochen, daß meine Gewehre bereits seinen Tipi schmückten. Was, wenn mein Brillenvorrat geplündert und zerstört worden war oder wenn dem Indianer keines meiner noch vorhandenen Gläser weiterhalf?
Aber ich mußte es wagen. Halef hatte eine Idee geäußert, die uns besser und schneller voranbringen konnte als jeder von mir gewonnene Zweikampf. Ein solcher würde kaum noch in dieser Nacht stattfinden, wie erst mehrere Runden mit verschiedenen Waffen. Dagegen konnte ich mich der Herausforderung hinsichtlich Scha-na-tses Augenlicht sofort stellen – und Hayes schlagen. Wie wollte er auf diesem Felde mit mir konkurrieren oder gleichziehen? Etwa mit einem Hörrohr für einen harthörigen Indianer?
Die Frage war, wie die Indianer entscheiden würden. Dazu meldete sich sogleich der Mann, um den sich auf einmal alles drehte:
»Hört, meine Brüder! Scha-na-tse wird nicht länger an diesem Feuer sitzen bleiben. Sein Wunsch, Old Shatterhand als Heiler zu erleben, verträgt sich nicht mit dem Wunsch, ihn sterben zu sehen. Es mag daher ohne Scha-na-tse beraten werden, dessen Gedanken dazu ein jeder kennt.«
Murren kam auf. So etwas war noch nie dagewesen: ein Medizinmann, der sich der Versammlung entzog. Meine Aufmerksamkeit wurde allerdings abgelenkt, denn auf einmal sah ich Kilmer, wie er sich neben Hayes, seinen Herrn und Meister, schob. Er flüsterte ihm etliches ins Ohr, wobei Hayes den Fehler beging, nach der Richtung zu sehen, um die es anscheinend in der Mitteilung ging. Unwillkürlich folgte auch ich diesem Blickwinkel, konnte aber wegen des Feuers sowie der Menge an Indianern lediglich erkennen, daß am
anderen Ende des Lagers Männer zu Pferde stiegen – Männer mit Hüten, also Weiße. Es ging mit dem Ausbruche los!
Für einen Augenblick hatte ich nicht auf Donnerwolke geachtet, der noch auf Scha-na-tse einredete. Nun geschahen nämlich mehrere Dinge gleichzeitig.
Ich sah, wie Kilmer sich zurückzog und daraufhin Hayes seinen Platz verließ. Er begab sich zu Donnerwolke und dem Zweigesichtigen. Dabei breitete er die Arme weit aus, wie bei einer dramatischen Freundesgeste. Ihm ging es aber um einen anderen Effekt – die Indianer gaben Raum. Diese, nichts ahnend, wichen links und rechts vor Ma-ta-weh zurück, jedenfalls aus Respekt. So entstand ein Korridor, der lang und breit genug war, um mehrere Pferde nebeneinander durchzulassen. Als Hayes das Feuer erreicht hatte, schloß sich die Schneise aber nicht wieder; unsere Bewacher waren einfach zu gespannt, was nun geschehen würde.
Auf einmal sprang neben mir Hirtreiter auf und lief ebenfalls zum Feuer. Ich kam nicht dazu, ihm etwas hinterherzurufen, denn schon erkannte ich den Grund für seine Eile, die unsere Bewacher ein weiteres Mal überrumpelte.
Hinter einer im Dunkeln liegenden Zeltreihe, die Scha-na-tse in seinem Rücken hatte, war eine schmale Gestalt aufgetaucht, die Silhouette eines Mädchens – Alma! Sie mußte sich in ihrem Zelte irgendwie befreit haben, nutzte aber die Gelegenheit nicht zur Flucht. Zielsicher, wie jemand, der dringend eine
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