Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
durchlitten, aber ihr Herz ist stark und wird den Kummer besiegen. Auf ihr ruht Manitous Segen. Er will, daß sie ihre Lieben, welche sie so lange schon entbehrt, wiedersieht. Old Shatterhand wird ihr dabei helfen, doch erst muß sie ruhen. Sie mag ganz unbesorgt sein, Ma-ta-weh ist besiegt, howgh!«
»Ma-ta-weh«, wiederholte Alma seufzend. »Ma-ta-weh – – – «
Nun klangen diese Silben nach Befreiung. Der Verbrecher hatte keine Macht mehr über sie.
Washburn war nun an seinem Ziele angelangt, in jeder Hinsicht. Gleich nachdem Old Faithful sich in seine Tiefe zurückgezogen hatte, ließ Washburn alles Gerät auspacken, um noch im letzten Licht mit den Vermessungen zu beginnen. Auch getrauten er sowie die Herren Langford, Doane und Everts sich erst jetzt zu uns.
Seit unserer ersten Begegnung bei Herrn Pfäffle waren wir nicht recht warmgeworden, trotz der gemeinsam überstandenen Fährnisse. Etwas hatte uns dennoch von Anfang an zusammengehalten: die Aufgabe, die Unversehrtheit des Yellowstone-Gebietes
sicherzustellen. Die menschliche Größe, die diese Männer nun bewiesen, verfehlte nicht, mich zu beeindrucken. Sie versöhnte mich mit allen Zurücksetzungen, die ich von ihrer Seite hatte einstecken müssen.
Es war Washburn, der feierlich verkündete:
»Winnetou, Old Shatterhand! Dieser Tag und dieses Erlebnis werden in die Geschichte dieses Landes eingehen. Wir alle wissen, wem das zu verdanken ist. Ein einzelner wollte ein Himmelsgeschenk zerstören, aus reinem Eigennutz. Nun hat er die Kraft der Natur zu spüren gekriegt. Wo es zwischen uns Schuld gibt, bitte ich Euch herzlich um Verzeihung; die Gentlemen zu meinen Seiten denken genauso. Wenn Ihr also wollt, Mister Shatterhand, nehmt meine Hand.«
Ich reichte sie ihm sofort.
»Hoch, hoch!« rief es von den anderen Westleuten herüber, welche unser Gespräch von einem anderen Feuer aus verfolgten. Sie alle hatte ich in Cheyenne schon einmal jubeln hören, aus vergleichsweise nichtigem Anlaß. Aber entgegen allen Querelen würden sie dafür sorgen, daß Old Faithful und alles ihn umgebende Land unter den Schutz Washingtons kam, was wiederum Anerkennung verdiente.
Winnetou zeigte ein vornehm angedeutetes Nicken, dazu seine hochgeklappte Rechte. Wir waren uns also wieder einmal einig.
Da fistelte eine Stimme in die harmonische Runde:
»Halt, nicht ohne mich. Hört, was ich zu sagen habe!«
Es war Everts, der vormalige Rauhbolz.
»Old Shatterhand, durch Euch hat mir die Reise zu Old Faithful den Beichtweg ersetzt. Ich habe Euch bereits um Verzeihung gebeten, aber Worte sind billig, wie man so sagt, und nur Taten sind Gold. Darum noch dies – – – «
Er stellte sich gerade, bis wahrlich eine Respektsperson vor uns stand.
»Herrschaften! Als oberster Finanzbeamter des Staates Montana sowie kraft der mir verliehenen Autorität in diesem neuen Territorium
bestimme ich, daß der Mann, genannt Old Shatterhand – – – «
Aha, der Eintreibervon Steuern und Abgaben kam doch wieder durch! Ich ahnte aber, daß seine bislang nur nehmende Hand eine gnädigere, sogar gebende geworden sein könnte. Daß freilich ich es sein sollte, welcher – – –
» – – – vom heutigen Tage an – – – «
Ein Steuerprivileg? Der Traum eines jeden Menschen!
» – – – bis zum Ende dieses Jahres, also für gut einhundert Tage – – – «
Nur einhundert Tage?
» – – – für einhundert Tage keinerlei Steuerpflicht unterliegen soll. Mister Washburn, Mister Doane, Mister Langford, Ihr seid meine Zeugen. Aufrichtigen Glückwunsch, Old Shatterhand!«
Einhundert Tage – das entsprach ziemlich genau meinem Dollarvorrate, welchen Hayes verschmäht hatte. Doch einerlei. Ich lächelte zu der mir beschränkt gewährten Steuerfreiheit, weil ich sah, daß es Everts guttat, und natürlich durfte er, der vormals von mir Bebrillte, mir ausgiebig die Hand schütteln. Zum ersten und zum letzten Male drückte ein Staatswesen mich nicht nieder, sondern nahm mich an seine Brust.
Als auch diese diplomatischen Pflichten versehen waren, fiel mir auf, daß Halef sich von mir absonderte. Jedenfalls schien ihn etwas zu beschäftigen, und wenn es nur die Sehnsucht nach seiner Heimat war, nach seiner Frau Hanneh und seinem Stamm. Ich fand ihn an einem Feuer, das er selbst angesteckt hatte, nach arabischer Art fast vollständig im Boden. Die vertrauten schwarzen Augen blickten mich kummervoll, aber auch treuherzig an.
»Sihdi, es ist deinetwegen und wegen
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