Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
nicken, also nach orientalischer Art die Frage seines Herrn zu verneinen.
»Nicht der Koran? Handelt es sich bei diesen Büchern gar um – – – ?«
So sehr verpönt war das Wort Bibel, daß selbst Saleh es nicht aussprach, schon gar nicht der entsetzte Askari.
Neuerlich rief der »Vater des Teufels«:
»Sprich, Fremder! Was sind das für Bücher? Von wem stammen, worüber handeln sie?«
Halef, die ganze Zeit auf dem Sprung, stemmte die Ellbogen in die Hüften.
»Du fragst mich nach dem Schöpfer dieser wunderbaren Werke. Als Mann von Welt, o Saleh, mußt du ihn kennen, ein jeder preist seine Werke. Ihr Verfasser ist ein großer Arzt, ein strebsamer Gelehrter und ein gewaltiger Held. Schon viele Male hat er die Wüste bereist, denn er wohnt in einem Lande, das Alemanja heißt und Schönheit wie bei uns nicht kennt.«
»Alemanja, Alemanja«, überlegte Saleh. Mit einem Male war er neugierig geworden. »Worum geht es in diesen Büchern?«
Geschäftig machte Halef einen halben Schritt nach vorn.
»Diese Bücher, o Saleh, beschreiben bis in die letzte Kleinigkeit die Menschen und Gebräuche Arabiens, wie sie auch die Länder und die Menschen sowie die Gebräuche jenes Landes beschreiben, welches Amerika genannt wird. Berichte nämlich enthalten diese Bücher von weiten und gefahrenvollen Reisen jenes wunderbaren Mannes. Auch kommen darin Helden verschiedener Hautfarbe vor, ebenso Feiglinge und Verräter, Faule und Taugenichtse. Man findet auf diesen Seiten furchtbare Generäle und anmaßende Herrscher sowie – – – «
»Fremder! Was ist das für ein Ton?«
»Es ist der Ton der Verheißung, o Saleh. Er bekränzt ein jedes Wort, das in diesen Büchern enthalten ist. Durch sie vermögen alle Menschen einander besser kennen, lieben und achten zu lernen.«
»Dann ist es, wie ich sage!« rief Saleh aus. »Diese Bücher sind nichts wert! Daß die Kinder Allahs im Glücke leben, weiß ein jeder Rechtgläubige; wie hingegen die Ungläubigen hausen, welche Phantastereien sie sich ausdenken oder aufschreiben, das alles schert sie nicht. Was willst du mit diesem Zeug?«
Eine bestimmte, nicht schwer zu erratende Absicht verbarg sich hinter Salehs Worten, aber Halef hatte sich zu sehr aufs Schwärmen verlegt, als daß er seine Schlüsse gezogen hätte. Der Prahlhans in ihm wollte heraus, und weil Bescheidenheit nicht zu seinen ersten Tugenden zählte, fuhr er fort, seine unwillkommene Ware wie ein Schuhlitzenverkäufer zu preisen.
»Diese Bücher, o Saleh, sind weder unnütz, noch sind sie Zeug. Meine Absicht ist es, die Kunde von den Großtaten ihres Verfassers überallhin zu tragen. Ich selbst habe viele dieser Taten miterlebt und bin also Zeuge. Könntest du, o Saleh, diese Bücher lesen, du fändest Gefallen an ihnen.«
»So? Kann man sie denn lesen, vermagst du es? Sind sie in der einzig wahren Schrift, nämlich jener unserer Väter und Vorväter, abgefaßt?«
»Aber nein, o Saleh, nicht einmal in der Schrift unserer Ur- und Urgroßväter. Der Schreiber bevorzugt die eigene Sprache, eine uns leider unverständliche, nur in seinem Heimatlande gepflegte.«
Saleh hatte seinen gewaltigen Körper Halef während dessen Worten immer weiter zugebeugt. Sein Interesse an diesen Beschreibungen war mit Händen greifbar.
»Ein Poet aus Alemanja – aus Alemanja! Und er schreibt ausschließlich in seiner Zunge, berichtet von Abenteuern – nenne mir seinen Namen!«
»Sofort, o Saleh, ist es doch einer der denkwürdigsten und einprägsamsten, die du je gehört haben wirst, der reinste Nektar! Labe dich an ihm, wie so viele vor dir es schon getan haben: Der Verfasser dieser Schriften heißt Kara Ben Nemsi!«
»Kara Ben Nemsi? Wirklich er?«
Noch tiefer und rauher war Salehs Stimme geworden. Die fanatischsten
Gefühle schienen in ihm aufzuwallen. Mochte Halef diese Reaktion zunächst für freudiges Erkennen halten, wurde er sogleich eines Besseren belehrt.
»Kara Ben Nemsi!« rief Saleh aus. »O ja, ich kenne diesen Mann, dieses Scheusal, dieses Ungeheuer! Ich kenne ihn, obgleich ich ihm nie begegnet bin – Fremder, als ich dich wie einen Liebenden von ihm schwärmen hörte, da ahnte ich sogleich, daß nur er gemeint sein konnte, er, dieser Verbrecher! Du hast dich schuldig gemacht, indem du nicht nur auf meine Soldaten geschossen und meinen Palast mit den Schriften eines Ungläubigen befleckt hast, du bekennst dich auch dazu, Zeuge der Untaten dieses Kara Ben Nemsi zu sein – weißt du nicht, daß er der
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