Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
größte Feind meiner Sippe ist? Ist dir nicht bekannt, daß er vor einiger Zeit den einzigen Sohn meines Bruders mordete, meinen Neffen? Er versetzte ihm einen solchen Hieb an die Schläfe, daß dieser niedersank und sich nicht wieder erhob. Sei nun du gespannt, wenn ich dir seinen Namen nenne, denn anschließend werde ich dich zerschmettern. Mein Neffe – er hieß Ayman at-Akaba! Ein großer Kämpfer war er und ein strenger Fürst. Mich, seinen Oheim, hatte er sich zum Vorbilde genommen, und gleich mir, dem Vater des Teufels, verehrten ihn seine Untertanen als Abd El Scheitan, den Diener des Teufels. Dem Vater sollte der Diener einst nachfolgen; allein Kara Ben Nemsi verhinderte es. Der Höllenschlund muß ihn zu sich hinabgerissen haben, daß ich ihn nirgends finden konnte. Nun wird Aymans Tod doch gerächt – durch deinen, Fremder, und den deines Gefährten!«
Das war eine fatale Neuigkeit für Halef.
Auf vielen meiner Streifzüge durch den Orient hat er mich, seinen geliebten Sihdi, begleitet, wenn auch beileibe nicht auf allen. Schon damals konnte ich mich ja angesichts der Menge meiner Abenteuer unmöglich über jedes einzelne mit ihm austauschen, weshalb bei unserem jeweiligen Wiedersehen leider manches unerzählt blieb, so auch meine Auseinandersetzung mit dem »Diener des Teufels«. Dieser hatte sich, trotz seiner Jugend, vor einiger
Zeit zum Herrscher von Akaba aufgeschwungen, jener Hafenstadt am Roten Meer und strategisch wichtigem Punkte des Osmanischen Reiches. Als ich von ihm empfangen wurde und ihm eröffnete, daß Malek, ein vermeintlicher Hirtenjunge, in Wirklichkeit ein als Säugling geraubter Herrschersohn sei und darum Ansprüche gegen ihn erheben dürfe 20 , war ein Kampf auf Leben und Tod unausweichlich geworden. Wie sich denken läßt, entschied ich denselben zu meinen Gunsten. Wären Halef diese Geschehnisse bekannt gewesen, er hätte sich bestimmt zurückgehalten.
Dazu war es nun zu spät. Saleh sann auf Vergeltung.
Finster blickte er auf Halef und sagte:
»Lange Zeit, nur allzulang hat der Allmächtige mich geprüft, aber heute ist ein großer Tag. Mein sehnlichster Wunsch wird mir erfüllt, da du, Fremder, Kara Ben Nemsi nicht nur kennst, sondern dich auch seiner Freundschaft rühmst, dich an seinen Sudeleien berauschst. Der Verbrecher ist hinfort, du aber bist hier, in meiner Hand. Um Aymans Tod zu sühnen, halte ich mich an euch beide. Jeden Finger- und Zehennagel lasse ich euch ausreißen, jeden Zahn und jeden Knochen. Ehe ihr in meinen Gruben verendet, sollt ihr den Teufel lieben lernen, indem ihr Bekanntschaft mit seinem Vater schließt!«
Voll Ingrimm stieß Saleh mit dem Zepter auf den Boden, und im nächsten Moment hatte auch sein Mohr ein Utensil in der Hand, das er beziehungsvoll tätschelte. Dann schien er es spielerisch in die Luft werfen zu wollen, doch da war ein Fauchen, ein Knall, das nicht zu einem Spielzeug passen wollte – eine Nilpferdpeitsche hatte gesprochen! Wessen Haut mit dem Sjambok Bekanntschaft schloß, denn um nichts Gefährlicheres handelte es sich, der hatte die fürchterlichsten Verletzungen zu gewärtigen; meist führten ihre Liebesgaben zum Tode. Namentlich auf den afrikanischen Sklavenzügen waren unzählige Menschen diesem barbarischen Züchtigungsmittel zum Opfer gefallen. Wer es zur
Anwendung brachte, besaß kein Herz, keinen Charakter. Ihm führte wahrlich der Teufel die Hand.
Saleh winkte den Wachsoldaten. Sogleich machten sie sich bereit, Halef und Sir Edward abzuführen. Doch im selben Moment beugte Faris Abbas sich zu Saleh und flüsterte ihm einiges zu. Abwartend traten die Soldaten zurück, als Saleh voll Widerwillen verkündete:
»Fremder! Ich höre, daß es den Dankesschwur eines meiner Askaris auf dich gibt. Diesen Schwur muß ich anerkennen, ob du nun Arzt bist oder Betrüger und vor allem ein Freund dieses Hundes Kara Ben Nemsi. Jedoch, Aymans Ermordung liegt länger zurück als dein Beistand, auch wiegt jene Tat viel schwerer, so daß ich ihre Ahndung nicht aufgeben darf. Mein Urteil lautet daher: Dein Besitz, der überwiegend aus Büchern des Verbrechers besteht, wird verbrannt. Was ihr an Geld und Wertsachen bei euch tragt, habt ihr mir abzuliefern. Abgesehen davon will ich gnädig sein: Aidschan soll euch nicht totprügeln, sondern nur einem jeden dreißig Streiche auf den Rücken zählen. Zusätzlich wird er euch mein Zeichen auf die Stirne brennen, damit ihr fortan überall als meine Diener erkannt werdet. Freut euch
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