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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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meine Kleidung. Soll ich in Fetzen nach Amerika ziehen?«
    »Wie ein Pascha sollst du reisen«, verkündete Saleh begeistert. »Das neueste, feinste, beste Gewand aus meinen Truhen erhältst du. Bringe mir nur Kara Ben Nemsi!«
    »Du sollst ihn kennenlernen, o Saleh. Aber mein Reittier ist abgetrieben, und das Dromedar lahmt bereits. Auf diese Weise wird es allein Wochen dauern, bis ich Algier und das Schiff erreiche.«
    »Sorge dich nicht. Du wirst auf einem meiner vorzüglichsten Kamele reiten. Der Christenhund muß mein werden!«
    »Jedoch Geld, o Saleh? Die Reise währt lange.«
    »Aidschan wird dir zwei Beutel voll Piaster geben, nein drei, vier! Mache dir die Beschützer dieses feigen Kara Ben Nemsis mit Bakschisch gefügig , daß sie ihn dir ausliefern.«
    »Gut. Und meine Waffen?«
    »Auch diese bekommst du zurück, dein gesamtes Eigentum. Dagegen nicht die Bücher des lästerlichen Christen und auch nicht deine Revolver.« Er warf einen Blick auf Faris Abbas und die beiden Trophäen in seinem Gürtel. Sie ihm wegzunehmen wäre
einer Degradierung gleichgekommen. »Nun, deine Revolver verbleiben als Pfand bei meinem Feldherrn, bis du wieder vor mir stehst, und zwar mit Kara Ben Nemsi an der Kette wie ein Raubtier. Ein Duell wünsche ich mir mit ihm, ein kurzes, schnelles, grausames!«
    »So willst du dich also mit ihm messen. Das ist eine gute Idee. Was aber, wenn er dich besiegt?«
    Da lachte Saleh, als hätte Halef etwas ganz Unvorstellbares gesagt.
    »Daran ist nicht zu denken! Noch hat ein jeder meiner Feinde mein Messer zu spüren bekommen. Dein Kara Ben Nemsi ist unbedingt verloren. Ich steche ihn, lasse ihm aber noch für eine Weile das Leben. Die Ziegen sollen ihn zu den Ufern des Sees zerren, zu der Stelle, an der die Kamele saufen. Dort ertränke ich ihn.«
    »So löse nur meine Fesseln, o Saleh, und ich spute mich, der Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen. Welche Frist gewährst du mir?«
    Wie schon erwähnt, befand man sich im frühen Juli des nämlichen Jahres. Nach der komplizierten islamischen Zeitrechnung nannte Saleh einen Zeitraum, der etwa unserer Jahreswende entsprach. Halefhatte also weniger als sechs Monate Zeit, der Gerechtigkeit, wie er listig versprochen, zum Siege zu verhelfen.
    Und er war noch nicht zufrieden.
    »O Saleh, was wird aber aus den Menschen der Karawane, aus dem Karwan Baschi?«
    »Sie? Ihr Leben kümmert mich nicht. Der Preis für ihren Kopf ist genannt; ein kleiner Teil der Männer mag mit dir nach der Stadt ziehen, um dort den fehlenden Rest auf das Lösegeld zu besorgen. Der Karwan Baschi lebt, kann aber nicht fort. Bis zu seiner Freilassung sollen seine Leute ihn pflegen.«
    »Und schließlich«, versetzte Halef. »Was wird aus meinem Freunde?«
    Nicht nur Sir Edward, auch Saleh und Faris Abbas bemerkten,
daß Halef erstmals nicht mehr nur von dem Engländer oder seinem Gefährten gesprochen hatte.
    Saleh, in einem Tone aus löblichstem Großmut wie höchster Gier, sagte:
    »Weil ich dich zuversichtlich stimmen will, befehle ich, daß dein Freund nicht zu den anderen hinab in die Grube muß. So er bezahlen kann, wird er gute Unterkunft haben, reichlich zu essen und zu trinken, und er wird sich frei bewegen dürfen. Falls er zu fliehen versucht, mag er wissen: Sein Gefängnis ist nicht die Oase, sondern die Wüste. Du aber bist jetzt mein Bote. Noch heute brichst du auf, säume keine Stunde! Es verlangt mich nach dem Blute von Kara Ben Nemsi!«
    Damit war alles gesagt. Mit dem eigenen Messer durchschnitt Saleh die Fesseln Halefs; Sir Edward zu befreien war unter seiner Würde. So blieb es dem verdutzten Aidschan überlassen, dies zu tun. Als Haushofmeister hatte er sämtliche Befehle vernommen und sich umgehend danach zu richten, doch konnte er nicht umhin, nochmals einen Seufzer in dissonantestem Moll von sich zu geben, als er erkannte, daß seine Nilpferdpeitsche mitnichten gebraucht würde.
    Kurz darauf strebten Herrscher und Troß wieder dem Gewässer entgegen, welches wie ein brennender Teich im Schein der kurzen Dämmerung lag. Wie sie gekommen waren, ruderten die Räuber zu dem nunmehr von Fackeln beleuchteten »Palast« zurück, in einem engen, schwankenden Bötchen, in das kein aufrechter Elbschiffer seinen Fuß gesetzt hätte.

    Halef – mein Halef! So war er, dieser kleine unvergleichliche Kerl!
    Obschon in ausweglos scheinender Lage, erschöpft und an den Händen gebunden und von Feinden umringt, blieb er doch unerschütterlichen Geistes und Gemüts.

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