Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
es seiner Empfindung von Respekt entsprach, einen Schritt zurück.
Ergriffen von diesem weiteren Liebesbeweis, faßte Halef nach Sir Edwards Hand.
»Effendi, ich bin kein Stein, daß ich nicht spüre, wie schwer auch dir unser Abschied fällt. Als ein Mann, der schon oftmals über die Meere gefahren ist, wirst du wissen, wieviel Zeit vergehen kann, ehe ich zurückkehre. Denn ich kehre zurück, so es Allah gefällt, und ich löse dich aus, wenn er es will, und Kara Ben Nemsi wird den Vater des Teufels zum Kampfe herausfordern – und ihn, es kann gar nicht anders sein, besiegen. Weil du dich für einige Zeit in Geduld fassen mußt, habe ich noch eine große Freude für dich. Selbst hast du ja mit angehört, daß Saleh mir mein sämtliches Eigentum zurückgibt, und wie du siehst, es ist alles da. Sieh, meine Flinte, dein Gewehr; die Packen mit den Büchern meines Sihdi! Auf dem Ozean, erst recht in Amerika wäre mir Gepäck hinderlich. Was liegt näher, als dir mein Eigentum anzuvertrauen? Sei der Hüter meiner Schätze, und ich erlaube dir, den fleißigsten Gebrauch davon zu machen. Lies die Bücher meines Sihdi, lies und ergründe sie. Das Mädchen Erna soll dich in der Sprache Alemanjas unterweisen, so wie ich dich die Weisheit des Korans lehrte. Denn nichts mehr wünsche ich mir von dir, als daß du in der Zunge Kara Ben Nemsis frohlockst, wenn wir anrücken, um Saleh zu stürzen.«
Huldvoll senkte Sir Edward den Kopf, als wäre ihm soeben das größte vorstellbare Geschenk gemacht worden.
»Sir, eines noch. Ist es Euch nur deshalb um Euren Sihdi zu tun, weil Ihr auch ihn zum Islam bekehren wollt, oder verlangt es Euch nach seiner Nähe, weil Ihr gleichfalls nach irdischem Ruhme strebt?«
Da blickte Halef den Engländer sehr ernst und sehr überlegen an.
»Du täuschst dich da gleich dreimal, Effendi. Mein Herz sehnt sich deshalb nach meinem Sihdi, weil er mich einst als seinen Diener aufgenommen, mich aber nie wie einen solchen behandelt hat. Ruhm und Ehre sucht er nicht, sie finden ihn; er braucht gar nichts dazu zu tun. Nur um dem Mädchen und seinen Eltern zu helfen und nur um dich zu retten und der Gerechtigkeit willen, nur darum mache ich mich auf. Ich suche Kara Ben Nemsi, aber es drängt mich, Old Shatterhand zu finden.«
»Und, Sir, vergeßt nicht: Winnetou! Auch ihm werdet Ihr hoffentlich begegnen, dem Häuptling der Apachen. Wenn es geschieht, achtet auf seine Barttracht. Ich zähle nämlich die Stunden, bis Ihr sie mir neuerlich beschreibt – noch genauer als heute morgen.«
In dem Gewimmel und Geschiebe auf dem Platze konnte es nicht auffallen, daß ein kleiner Pulk sich an die beiden schmausenden Männer heranschob. Sie warteten, bis deren Diener abgerückt waren. Dann löste sich aus dem Trupp ein einzelner, dessen Gesicht bis auf die Augen von jenem berühmten Schleier der Tuareg bedeckt war. Als er Halef und Sir Edward nahe war, flüsterte er:
»Ibrahim und Danda, heraus!«
Dieser leise Ruf war, wie sich zeigte, kein Rätsel, sondern eine Parole.
»Walid!« freute sich Halef, weil es sich bei dem Geheimnisvollen ja um den dankbaren Askari aus der Wüste handelte; mit demselben Befehle war er zuletzt, in der Folterhütte, in Erscheinung getreten. Dennoch hielt er an seiner Tarnung fest. Er winkte die anderen Männer heran, die ihm folgten und auffällig mit allerlei Schuhwerk winkten, als wären sie Gerber, Leder- und Schuhmacher.
»Setzt euch und greift nach unseren Schuhen«, gebot Walid. »Man soll denken, Saleh habe uns als weitere Diener zu euch
geschickt, um euch mit Sandalen zu versehen. In Wirklichkeit bringen wir einen Mann, den es nach eurer Bekanntschaft verlangt. Wird er entdeckt, ist er verloren und wir mit dazu.«
Einer der Schleierträger, der sein ungewöhnlich hohes Körpermaß durch einen gebückten Gang zu verkleinern suchte, schob sich in den Vordergrund. Für einen winzigen Augenblick lüftete er die Gaze.
Halef und Sir Edward erblickten die noblen Züge eines weißen, gewiß mehr als fünfzigjährigen Mannes – ein Europäer! In vornehmem Englisch sagte er:
»Ich bin Deutscher, genau wie der Mann, von dem seit einer Weile überall als Kara Ben Nemsi gesprochen wird. Gerüchte schwirren, und sowohl Walid als auch meine Tochter Erna haben mir von Euch beiden berichtet. Meine Herren, Ihr seid gegen Saleh aufgestanden, der Himmel wird es Euch lohnen!«
Halefs Hand fuhr in jene des Sprechers – sofort hatte er erkannt, daß diese Begegnung eine gute war. Er
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