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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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wußte jetzt, wer vor ihn getreten war.
    »Ich bin Hans Gustav Grüner, Professor für Archäologie und Privatforscher zu Leipzig. Zusammen mit Erna und meiner Frau Edda wurde ich gefangen. Unser Zug sollte über eine bestimmte Stelle des Tassili führen, wo ich Grabungen beabsichtigte, aber das Gebirge ist groß, und einige unserer Führer erwiesen sich als bestochen. Alles andere wird Erna Euch schon berichtet haben. Von Eurem mutigen Angriff auf die Soldaten hat mir dann Walid erzählt, und daß er sich mit Euch verbünden will: ein einzelner, der sich mit seinem Begleiter an eine Übermacht wagt und medizinische Dienste leistet – ich sage Euch meinen Respekt!«
    Der vorsichtige Halef, möglicher Beobachtung gewahr, deutete seine Verneigung nur an. »Ich habe getan, was von einem Scheik erwartet wird. Auch ihr sollt gerettet werden, doch müßt ihr geduldig sein.«
    Der Professor nickte und zog seinen Schleier zu. Mit großer Geste warf er sich, weithin sichtbar, vor Halefs Füße und tat, als
müßte er ihnen ein besonderes Ziegenleder anmessen. Bei dieser Verrichtung spürte Halef, wie sich ein flaches Päckchen unter eine seiner Sohlen schob.
    »Herr, schlüpft jetzt in ein anderes Paar Schuhe, wir dürfen nicht verweilen. Ich erfahre, daß Ihr noch heute nach den Vereinigten Staaten abgeht. Just befindet sich meine zweite Tochter dort, Alma. Worum ich Euch bitte, mag vermessen sein, ich tue es dennoch: Ihr habt Ernas Gesicht gesehen? Ihre Zwillingsschwester gleicht ihr bis aufs Haar. Durch glückliche wie unglückliche Umstände mußte sie in der Heimat zurückbleiben. Sie wähnt uns wohl längst auf der Weiterreise, denn von unserer Gefangennahme kann sie nichts wissen. Nach meiner Exkursion wollte ich hinüber in die indianische Wildnis. Wie ich Alma kenne, wird sie wohl auf eigene Faust losreisen, um uns dort, wie geplant, zur Herbstzeit zu treffen. Man denke sich: ein einzelnes junges Mädchen in Amerika. Das sind meine Töchter!«
    Warm und voll Zuneigung glühten die Augen des Deutschen. Halef blieb nichts anderes übrig, als den noch kaum formulierten, aber sich zwingend ergebenden Wunsch zu akzeptieren.
    »Sei getrost, Effendi Grüner. Suche ich nach meinem Sihdi, suche ich auch nach deiner Tochter. Schon einmal habe ich heute ein Versprechen gegeben, und bei Allah, dies zweite gehört dir!«
    Grüner verlor keine Zeit. »Dies Päckchen enthält Hinweise, wo Alma zu finden sein könnte, dazu einen Brief sowie eine Anweisung über einen bedeutenden Betrag. Mit Mühe konnte ich dieses Papier bislang verborgen halten. Auch daran mögt Ihr erkennen, wie sehr ich Euch vertraue. Mit Gott!«
    »Mit Allah!« entgegnete Halef und stieß dabei, so sanft er es vermochte, den knienden Mann von sich – die Askaris rückten heran, und er mußte seine Rolle spielen und so tun, als hätte er seine Wahl neuer Schuhe getroffen.
    Walid – der Professor – Halef – Sir Edward – verschworene Blicke flogen, dann waren die »Schuster« verschwunden.
    Unbemerkt tastete Halef nach dem Päckchen und steckte es
ein. Zum vorerst letzten Male blickte ihm nun auch Sir Edward in die Augen.
    » Farewell, verehrter kleiner Sir, es ist soweit. Berichtet in Algier meinem Kapitän, Mister Sunderland. Prägt Euch das Schlüsselwort gut ein: Victoria. Es öffnet Euch nicht gerade den Berg Sesam, macht Euch aber zum Herrn meiner Jacht und ihrer Besatzung. Geht als Muselman zu Schiff, und kehrt als Westmann zurück, wenn ich so sagen darf.«
    »Und du, Effendi, bedenke, daß es Allahs Wille ist, daß wir getrennt werden. Bleibe auch als Gefangener immer nur stark und froh, und denke daran, was ich dir über das Kismet gesagt habe. Es steht bereits geschrieben, ob und wann wir uns wiedersehen werden. Ich glaube fest daran, daß du jene Höhlen noch sehen wirst, nach denen dein Herz sich sehnt. Sie liegen ganz in der Nähe, weil in dieser Gegend schon immer Menschen lebten. Wie froh bin ich, daß es uns vergönnt war, die Karawane vor dem Schlimmsten zu bewahren. Daraus kannst du ein Stück deines eigenen Kismets lesen: Wie sonst wären wir in Gefangenschaft geraten, aus der doch etwas Neues, Unerwartetes folgt; und wie anders hättest du die Gelegenheit erhalten, mit mir am Pfahle stehend dein Herz und deine Seele zu prüfen? Gleich zweimal an diesem Tage hat der Barmherzige dich bewahrt. Du kannst nicht anders, Effendi, du mußt zu ihm kommen. Lebe wohl und Allahs Segen!«
    Dies gesprochen, bestieg Halef sein neues Reitkamel.

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