Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
Lebensjahr. Er hat auch gleich noch Namenstag! Dieser Anlaß, sagt der Koch, müsse gewürdigt werden, also hält er alle frei. Was sind das für Zeiten, in denen der Koch den Wirt bezahlt!«
»Mister Faffle, habt Geduld mit mir, ich begreife es immer noch nicht. Eure Stube ist besetzt, Euren Gästen rinnt der Speichel, die Kasse stimmt, und Euer Koch versteht sein Metier – was gefällt Euch daran nicht?«
»Was mir nicht gefällt?« blies mir ein weiterer Luftschwall in den Gehörgang. »Ist das denn so schwer zu verstehen? Der König mag seinen Ehrentag haben, aber schon morgen, da hat ihn das normale Leben wieder. Wenn aber heute sein Hofkoch Platten und Terrinen auffährt, und zwar umsonst, was werden meine Gäste dann morgen von mir erwarten? Doch geradewegs das gleiche! An einem einzigen Tage verdirbt mein Koch mir das ganze Geschäft, indem er zu gut, zu viel und auch noch gratis kocht und für alles höchstselbst gut und teuer bezahlt. Der hohe Tag der Majestät ist der Tag meines Untergangs. Ich bin erledigt, ruiniert, ich, der kleine Ewald Pfäffle aus Stuttgart, der Mister Faffle, wie man mich nennt! Weg muß er, der Koch, noch heute aus dem
Hause! Gleich geht das Schlemmen wieder los. Seht Euch die Männer dort drüben an – bald sitzen sie wieder zwischen Felsen und Bäumen und freuen sich an halbgarem Waschbär oder an totgeschossener Schlange. Aber bei mir kriegen sie nicht genug von Bayerischem Zwiebelfleisch und Rindsrouladen, von Böhmer Eintopf und Wiener Mehlspeisen! Wenn sich erst ganz Cheyenne an solche Gerichte gewöhnt hat, bin ich geliefert, denn selber kochen kann ich so etwas nicht. Dann soll lieber wieder der Chinese am Herd stehen, den ich zuvor hatte. Bei dem gab es immer nur Steaks mit Bohnen oder Bohnen mit Speck. Und auf einen König schwor der auch nicht!«
»Ihr seid mir ein Rätsel, Herr Pfäffle. Einen derart loyalen und finanziell unabhängigen Menschen wie diesen Koch muß man im Gegenteile halten, ihn sich geneigt machen, ans Haus zu binden suchen. Mit ihm könnt Ihr in Cheyenne das erste Haus am Platze werden. Glaubt Ihr, es schneit solche Könner zur Türe herein?«
Meinem Vorwurf folgte ein langer, prüfender Blick des Wirtes.
»Ihr«, sagte er vorwurfsvoll. »Ihr seid doch auch zur Tür hereingekommen, ein Könner ganz anderer Art. Nochmals, an Eurer Anwesenheit liegt mir nichts!«
Da war sie wieder, diese obskure Anspielung. Dieser Punkt mußte jetzt geklärt werden.
»Mister Faffle, mir scheint, Ihr verwechselt mich. Noch keine Stunde befinde ich mich in der Stadt, noch viel weniger – und übrigens zum ersten Male – in Eurem Hause. Womöglich ähnelt ja mein Durchschnittsgesicht irgendeinem anderen, so etwas soll vorkommen.«
Anstatt mir daraufhin noch näher auf den Leib zu rücken als bisher, entfernte sich Faffle von mir. Er ging ein paar Meter zurück – trat einen weiteren nach links – ging nach rechts – bewegte sich wieder vorwärts – blieb und guckte – ging wieder – guckte mich an — — —
» Heigh-ho, Mister Faffle«, rief jemand. »So bringt unserem Mister Hayes doch ein Glas, uns kann er heute nicht stören!«
Einer der Männer aus der immer noch wartenden Runde hatte sich bemerkbar gemacht. Faffle faßte sich. Allerdings schritt er nun zurück hinter seinen Tresen, zapfte in der Tat aus einem Faß ein Bier und brachte es zu mir an den Tisch. Diesmal blieb er nicht stehen, sondern nahm mir gegenüber Platz.
»Ich habe mir Euch angeschaut, sehr genau, aber nein, Ihr seid nicht, wer ich dachte, aber glaubte, Ihr wärt es.«
»Ja«, lächelte ich zu dieser verzwickten Erklärung. »Ihr dachten an jenen Mister Hayes, von dem gerade die Rede war.«
»Mit ebendem habe ich Euch verwechselt. Ihr seid aber selbst schuld, eine solche Ähnlichkeit: Eure Züge, Euer Haar, Eure Barttracht; selbst die Art, wie Ihr auf dem Stuhle sitzt, Euch zurücklehnt, das Glas haltet – seid Ihr vielleicht ein Verwandter von Mister Hayes? Seid Ihr sein Sohn, sein Neffe?«
»Ah«, machte ich. »So scheine ich mich von dem Herrn wenigstens vom Alter her zu unterscheiden. Wie sonst könnt Ihr mich für seinen Sohn oder Neffen halten?«
»Stimmt, das hatte ich nicht bedacht. Er ist älter als Ihr, sogar bedeutend älter.«
Nochmals mußte ich mich eine Weile bestaunen lassen, was mich nicht bekümmerte. Ich ließ mir das Bier des putzigen Schwaben schmecken, das ich sofort als ein deutsches, über Meer und Kontinent gereistes erkannte.
Als ich
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