Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
Rettung des Kochs ein wenig in dessen Küche bediente.
Denn niemand anderes als dieser kam nun herein.
»Old Shatterhand, wirklich – Ihr seid es!«
Der bescheidene Mann trat über die Schwelle und schloß leise die Tür.
»Endlich! Endlich sind wir allein, endlich kann ich mit Euch sprechen – ich sehe, Ihr seid hungrig? Verzeihung! Ich Tölpel habe
übersehen, daß Ihr viel zuwenig zu Euch genommen habt. Das darf so nicht bleiben; Ihr sollt nicht wie eine Katze mit Resten vorliebnehmen müssen. Wartet, sofort lege ich meine Kochkleidung wieder an und heize den Ofen! Pfannen und Töpfe setze ich auf, den Bräter fülle ich und die Tiegel! Das Festmahl beginnt aufs neue, mitten in der Nacht, und es beginnt zu Ehren Old Shatterhands!«
»Wartet, wartet!« bremste ich diesen Eifer. »Als Westmann esse ich nur wenig, und dieses wenige habe ich mir gerade verschafft. Aber wolltet Ihr nicht bei Herrn Pfäffle abheuern?«
Wir hatten, muß ich hinzufügen, vom Eintritt des Kochs an nicht englisch, sondern deutsch gesprochen. Ich weiß nicht, warum das geschah, denn Hirtreiter beherrschte das Englische einwandfrei. Jedenfalls ahnte ich, was ihn anstachelte und worauf er abzielte. Wie oft habe ich solche Reaktionen erlebt, wo immer ich als Old Shatterhand in Erscheinung trat. Es ist wohl etwas an mir, was selbst in grundrealistischen Naturen etwas Romantisches weckt. So wie man immerzu herauszufinden trachtet, wer und wie ich sei, so große Scheu schlägt mir entgegen, sobald ich mich so zeige. Hirtreiter hatte mir zu seinen weiteren Lebensplänen schon vor ein paar Stunden etwas gesagt, und ich hatte ihm ehrlich zugeraten. Ich war kein bißchen verwundert, daß er nun, da er Old Shatterhand kennengelernt hatte, einen neuen Anlauf nahm:
»Master Shatterhand – o bitte gestattet, daß ich Euch ab sofort so nenne! Ohne Zweifel seid Ihr im Wilden Westen das, was daheim, in Bayern, mein Lehrherr Johann Rottenhöfer mir gewesen ist: ein Meister, ein Master!«
»Haltet ein, lieber Herr Hirtreiter!« bat ich nochmals. »Ob ein Westmann wie ich, der gerade seine Finger in Eure Tunken stippt, sich mit diesem schon so oft genannten Küchenchef vergleichen darf, sei dahingestellt. Außerdem hegte ich während des Naschens eine Befürchtung. Erratet Ihr, welche?«
»Ihr könntet Euch verschlucken, Master?«
»Schlimmer, Herr Hirtreiter.«
»Meine Würze bekommt Euch nicht?«
»Viel schlimmer.«
»Es ist mir etwas angebrannt?«
Mir entfuhr ein Seufzer. »Ich sehe, daß Ihr das nämliche nicht erratet, aber wohl trotzdem an mich herantragen werdet.«
Da seufzte nun Hirtreiter seinerseits, und zwar ein derart bängliches, erbarmungswürdiges, hilfloses Seufzen, wie man es von einem Kinde kannte, das sein Lieblingsspielzeug verloren hatte und keine Hoffnung mehr hegte, es jemals wiederzufinden.
»Master Shatterhand, es muß heraus: Schon zuvor, an Eurem Tische, als ich zu dem mir Unbekannten von meinen weiteren Absichten sprach, da war etwas an Euch, was mir Zuversicht gab. In Eurer Gegenwart habe ich mich sofort sicher gefühlt, so daß ich jetzt, wo ich weiß, wer Ihr seid, keinen Grund, zu zögern habe.«
»Zögern womit?«
»Euch geradeheraus zu bitten: Nehmt mich mit!«
»Euch mitnehmen, Herr Hirtreiter – wohin? Ihr seid längst am Ziele. Hier steht Ihr, in Eurer Küche, umgeben von den Heroldszeichen Seiner oder vielmehr Eurer Majestät!«
»Ach, Master, treibt keinen Spott mit mir. Ihr wißt längst, daß mir die Küche Herrn Pfäffles nicht reicht. In den Westen will ich, hinauf zum Yellowstone-See, in die Rocky Mountains, wo die schönsten Abenteuer auf mich warten! Noch nie hat einer den Versuch unternommen, ein Kochbuch der dark and bloody grounds, wie Ihr sie nennt, zu verfassen. Ihr wißt doch, daß ich mir zu Hause und überhaupt in der Welt erst noch einen Namen machen muß. Dies ist die Gelegenheit, und Ihr, Master Shatterhand, seid der Mann, der mir alles Weitere ermöglichen kann.«
»Alles Weitere? Damit meint Ihr wohl, daß das Greenhorn, welches Ihr jenseits von Eurem Ofen seid, in derart viele Fettnäpfchen treten wird, daß selbst Old Shatterhand nicht ohne Schürze auskommen wird, um Euch herauszuhauen.«
»Ja!« rief Hirtreiter begierig. »Haut mich heraus, befreit mich,
rettet mich! Helft mir, in möglichst viele Gefahren zu geraten und darin zu bestehen. Ein Kochbuch des Wilden Westens und ein Reisebericht, eine solche Mixtur war noch nie da!«
»Bitte, wünscht Euch nicht in
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